Aber es sind vor allem die Menschen in den Krisenländern, die die Folgen tragen. Denn aus der Finanzkrise ist in Europa längst eine soziale Krise geworden. Wir haben in der Krise 2008/09 das Richtige getan und uns mit Konjunkturprogrammen und Kurzarbeit erfolgreich der Rezession entgegengestemmt.

In der gegenwärtigen Krise tut die Bundesregierung aus unerfindlichen Gründen genau das Gegenteil. Wir sparen die Krisenländer zugrunde statt ihnen auf die Beine zu helfen. Was wir brauchen, ist ein europäisches Wachstumsprogramm. Nicht Sparen schafft Wachstum und Beschäftigung, sondern Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Zukunftstechnologien. Die Staaten in Europa müssen die Staatsverschuldung natürlich in den Griff bekommen – übrigens auch wir.

Aber dies ist nicht nur eine Frage der Ausgaben, sondern auch der Einnahmen. Wer ständig bei Arbeitnehmern, Rentnern und sozial Schwachen kürzt, die Krisenverursacher aber davonkommen lässt, macht sich unglaubwürdig. Deutschland steht vergleichsweise gut da. Wir haben eine starke Industrie und einen guten Dienstleistungssektor, die Beschäftigten sind qualifiziert und engagiert. Aber es kann Deutschland auf Dauer nicht gut gehen, wenn es Europa schlecht geht.

Es ist in unserem Interesse, dass unsere südeuropäischen Partner wieder auf die Beine kommen. Unsere Wirtschaft ist robust, aber auch sie wird es zu spüren bekommen, wenn die Nachfrage in den Krisenländern dauerhaft wegbricht. In diesem Jahr laufen wichtige Tarifverhandlungen und die Kolleginnen und Kollegen kämpfen zu Recht dafür, angemessen und gerecht am Aufschwung beteiligt zu werden.

Gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde

Aber für viele Menschen in Deutschland wird sich trotz Aufschwung und guter Tarifabschlüsse nichts ändern. Millionen von ihnen halten sich mit Minijobs und Leiharbeit, mit befristeten Jobs oder als Scheinselbständige über Wasser. Sie zahlen den Preis für Jahrzehnte der Deregulierung auf dem Arbeitsmarkt. Systematisch wurden Regeln abgeschafft, die die Beschäftigten vor Ausbeutung und Lohndumping geschützt haben.

Wir brauchen deshalb eine neue Ordnung der Arbeit. Wir brauchen klare, verbindliche Regeln, die die Beschäftigten schützen und an die sich alle zu halten haben. Dazu gehört u. a. ein gesetzlicher Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro, der alle darunterliegenden Löhne kassiert, sowie gleiches Geld für gleiche Arbeit in der Leiharbeit. Der DGB, seine Mitgliedsgewerkschaften und die Kollegen in den Fabriken und Büros werden nicht locker lassen, bis wir diese Ziele erreicht haben.