– es gilt das gesprochene Wort –

Lieber Holger Ortel,
Liebe Ulrike Rodust,
Verehrte Damen und Herren,
Liebe Fischerinnen und Fischer,

dass Sie heute so zahlreich den Weg zu uns gefunden haben, zeigt, dass das omnipräsente Thema Eurokrise doch nicht alles überlagert. Auch wenn dieser Tage unsere Aufmerksamkeit fast ausschließlich der Stabilisierung des Euroraums gilt, stehen andere Politikfelder deswegen noch lange nicht still. Ganz im Gegenteil: Nach langen Verhandlungen haben sich vor rund zwei Wochen die EU-Mitgliedstaaten auf Eckpunkte für eine grundlegende Reform der gemeinsamen Fischereipolitik verständigt.

Gerade weil wir aktuell fast täglich erleben, dass sich die Mitgliedstaaten der EU in dieser schicksalhaften Zeit in Vielem so gar nicht einig sind, betrachte ich diesen Einigungsschritt als ein hoffnungsvolles Signal. Trotz dieser wichtigen und richtigen Weichenstellung bleibt allerdings noch viel zu tun, denn nun stehen die Verhandlungen zwischen Rat und Parlament an. Ulrike als Berichterstatterin wird uns gleich einen Ausblick auf die Verhandlungen geben.

Aber auch mit dem Kompromiss des Rates gibt es noch sehr viel Klärungsbedarf. Genau darum soll es heute auf unser Fraktionskonferenz gehen – ich danke Holger Ortel für die Organisation und Ihnen allen für Ihr Kommen.

Sie alle wissen: anders als Holger Ortel und Ulrike Rodust bin ich kein Fachpolitiker und alles andere als ein Fischexperte. Aber ich bin dem Thema auch nicht ganz so fern, wie man bei einem Abgeordneten mit Wahlkreis in Brandenburg vermuten könnte!

Zehn Jahre lang habe ich in der Landespolitik in Niedersachsen, zuletzt als Chef der Staatskanzlei die Sorgen und Nöte der Menschen an der Küste aus nächster Nähe kennengelernt. Dies und die Bedeutung der Fischwirtschaft insgesamt, und zwar nicht nur aus Perspektive der Verbraucher, sondern auch aus der Perspektive der vielen kleinen und mittelständischen Fischereibetrieben, den vor- und nachgelagerten Bereichen. Dort werden mehr als 45.000 Menschen beschäftigt. Das ist gelebte Realwirtschaft.Diese Betriebe versorgen nicht nur die Verbraucherinnen und Verbraucher inner- und außerhalb Deutschlands mit Fischereierzeugnissen von höchster Qualität. Auch sind sie nicht nur Attraktion von Tourismusregionen.

Ebenso wie jeder andere Wirtschaftszweig brauchen diese Fischereibetriebe und ihre Beschäftigten verlässliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen und eine Perspektive. Und genau deswegen ist die gegenwärtige Debatte um die Zukunft der europäischen Fischerei so wichtig.

Wirtschaftspolitik ist jedoch nur ein Aspekt: Die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik ist eine Chance. Wenn wir sie klug umsetzen, kann sie die Grundlage für eine nachhaltige Nutzung unserer lebenden Meeresschätze sein. Denn in einem sind sich alle einig: Das Ziel der Reform muss eine nachhaltige, bestandserhaltende Fischerei sein, die zur Erholung überfischter Bestände in den Gewässern der EU führt und als Vorbild für die Bewirtschaftung von Fischbeständen und des Ökosystems Meer weltweit dienen kann.

Die SPD hat – in Deutschland und auf Ebene der EU – diese beiden Aspekte immer fest im Blick gehabt. Für uns waren das immer zwei Seiten derselben Medaille. Ich freue mich daher, dass sich im vorliegenden Eckpunktepapier viele unserer Positionen, die wir über Jahre vorangetrieben haben, wiederfinden.

Ich will hier nur kurz darauf eingehen – Sie werden das ja im Laufe des Tages noch ausführlich diskutieren:

Wir haben mit dafür gesorgt, dass diese Reform dem Nachhaltigkeitsgedanken Rechnung trägt: So sollen die europäischen Fischereien so bald wie möglich, spätestens aber bis 2020, nach dem Prinzip des maximalen Dauerertrages bewirtschaftet werden. Dieses Prinzip sichert die nachhaltige Nutzung der Bestände und ist Grundlage einer wirtschaftlich tragfähigen Fischerei.

In Zukunft sollen zudem deutlich strengere Maßnahmen für den Wiederaufbau der Fischbestände sorgen. Dazu gehören die Einführung von Rückwurfverboten und Anlandegeboten sowie mehr mehrjährige Bewirtschaftungspläne auch für mehrere Arten. Angesichts der aktuellen Probleme der europäischen Fischereipolitik ist das der richtige Weg hin zu einem modernen Fischereimanagement.

Mit der Reform sollen auch Fischereibefugnisse, also der Nutzungsrechte eingeführt werden. Ursprünglich sollten die auch gehandelt und geleast werden können. In Deutschland ist bislang aber nur der Tausch erlaubt. Das soll unserer Meinung auch so bleiben. Wir wollen nicht, dass finanzstarke Investoren sich die Fischereibefugnisse zu eigen machen. Wir wollen keine „Sofa-Fischer“. Jeder Mitgliedstaat soll darüber entscheiden können, wie die Übertragung von Quoten funktioniert.

Diese vorausschauenden Politikansätze müssen in den nächsten Monaten jedoch mit Leben gefüllt, sprich klug umgesetzt werden. Genau dazu ruft die SPD die Bundesregierung auf: Die EU braucht eine Fischereipolitik, die Fischwirtschaft auf der einen und den Fischbeständen auf der anderen Seite eine Zukunft gibt, und die Bedeutung des Fischfangs für die Küstengebiete nicht gefährdet.

Dabei will ich es für heute belassen. Ich wünsche Ihnen allen interessante Gespräche und einen fruchtbaren Austausch im Laufe der heutigen Konferenz!

Vielen Dank!