Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich feststellen, dass die Kolleginnen und Kollegen der Linken den Finger in eine bestehende Wunde legen: Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum. Nur: Ob die Instrumente, die sie benutzen wollen, passen, darüber müssen wir uns unterhalten. In der Tat besteht eine zugespitzte Wohnungsnot, vor allen Dingen in Großstädten und Ballungsräumen. Man kann nahezu von einem Teufelskreis sprechen: Der vorhandene Wohnraum wird immer begehrter und damit in den Ballungszentren immer teurer. Das ist so. Das ist sehr bedauerlich; denn solides Wohnen ist kein Luxus, sondern ein elementares Gut, auf das jeder ein Recht haben sollte. 

Bundesweit gibt es gegenwärtig – es wurde betont – circa 1,5 Millionen Sozialwohnungen. Das reicht aber bei weitem nicht aus. Experten schätzen den tatsächlichen Bedarf auf circa 4 Millionen Sozialwohnungen. Aufgrund des hohen Bedarfs stellt sich die Frage: Wer sind denn die Menschen, die diese Wohnungen so dringend brauchen? Zunächst einmal gibt es die Gruppe der Armen. In unserem reichen Land sind 15 bis 20 Prozent der Menschen arm oder von Armut bedroht. Sie finden auf keinem anderen Wohnungsmarkt als auf dem sozialen Wohnungsmarkt eine Wohnung. Aber – Staatssekretär Pronold hat es betont – mittlerweile sind auch ganze Berufsgruppen betroffen, normale Berufsgruppen wie Polizeibeamte, Krankenschwestern und Krankenpfleger. Sprechen Sie doch einmal mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Fahrdienstes, die uns so nett chauffieren. Fragen Sie die einmal, wo sie wohnen. Sie wohnen nicht mehr im Zentrum von Berlin, sondern weit außerhalb. Damit sind höhere Anfahrtskosten verbunden. Das geht effektiv zulasten der Lebensqualität, weil für die Anfahrt Zeit verloren geht, die für anderes genutzt werden könnte. Wir müssen in Bezug auf die Stadtzentren also dringend umdenken.

Wir dürfen auch die Menschen nicht vergessen, die überhaupt keine Chance auf dem Wohnungsmarkt haben – wir sprechen hier immer über Resozialisierung –, nämlich die Obdachlosen. Versuchen Sie einmal, für einen Obdachlosen eine Wohnung zu finden. Das geht mit Beziehungen kaum und ohne Beziehungen gar nicht. Ich hatte einen jungen Mann als Schüler, der in die Abwärtsspirale geraten ist. Das geht sehr viel schneller – wir alle kennen entsprechende Beispiele –, als wir uns das vorstellen. Er hatte seine Haftstrafe verbüßt, er hatte ein Suchtprogramm absolviert, und er wollte wieder in die Gesellschaft integriert werden. Er kam zu mir und bat mich händeringend: Besorg mir eine Wohnung! Ich habe das mit allen Mitteln versucht, auch mithilfe der Behörden. Die haben mir gesagt: Herr Pilger, man kann nichts anderes tun, als in der Zeitung, in dem Fall in der Rhein-Zeitung, Inserate herauszusuchen. Man kann sich vorstellen, welche Chancen der junge Mann auf dem Wohnungsmarkt hatte, nämlich keine.

Am Rande darf erwähnt werden, dass die Zahl der Wohnungslosen in den letzten zwei Jahren auf 350.000 Menschen angestiegen ist. Das entspricht einer Erhöhung um 20 Prozent. Ich sage noch einmal: Sie beschreiben die Situation richtig. Die Situation ist dramatisch. Aber wir müssen uns überlegen: Was ist der richtige Weg? Die Länder sind für den Wohnungsmarkt zuständig, das ist so. Mit vielem, was im Zuge der Föderalismusreform vereinbart wurde, bin ich nicht einverstanden, insbesondere was das Bildungswesen betrifft. Aber es ist nun einmal so: Wir sind zunächst nicht zuständig. Man hat das auch nicht unbedarft geregelt, sondern man war der Meinung: Die Länder wissen über die Bedarfe am besten Bescheid, und darum sollen die Länder die zugewiesenen Mittel entsprechend verwenden. Über diese Regelung kann man durchaus noch einmal nachdenken.

Wir haben 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Das sollte die Opposition, insbesondere die Grünen, anerkennen. Ich weiß, das fällt immer schwer. Aber es muss betont werden: Das ist eine enorme Leistung. Es ist nicht so einfach, die Mittel zur Verfügung zu stellen. Bitte honorieren Sie das Bemühen insbesondere unserer Umwelt- und damit Bauministerin. In den vergangenen Jahren wurden 250 000 Wohnungen fertiggestellt. Das sind immerhin zwei Drittel mehr als im Jahr 2010. Aber wir sind uns sicherlich einig: Diese Zahl muss noch deutlich erhöht werden. Herr Staatssekretär Pronold hat gesagt, das EU-Beihilferecht wäre kein Problem. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, aber trotzdem muss überprüft werden, ob eine Bezuschussung, ob die Unterstützung einer Unternehmensgruppe mit dem EU-Beihilferecht kompatibel ist.

Sie sehen, es gibt einiges zu tun und einiges, worüber nachgedacht werden kann und muss. Die Koalition tut das, und wir, die Sozialdemokraten, die älteste Partei in diesem Hause, haben uns schon immer um die Wohnungsnot der Menschen gesorgt. Es ist ein ureigenes Ziel, das die Sozialdemokratie hat, Menschen mit bezahlbarem und gutem Wohnraum zu versorgen.

Ich komme zum Schluss: Wir haben mit den Wohnungsbaugenossenschaften und den kommunalen Wohnbauanbietern eine gute Struktur. Diese muss ausgebaut und gestärkt werden. Ich bin selbst seit 20 Jahren Mitglied einer großen Wohnungsbaugenossenschaft, davon war ich 15 Jahre lang Aufsichtsratsvorsitzender. Ich weiß, welche soziale Leistung die kommunalen Anbieter und die Genossenschaften erbringen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein herzlicher Appell an die Opposition: Lassen Sie uns die vorhandenen Strukturen stärken. Dann werden wir sehen, dass wir den Wohnungsmarkt weiter beleben.

Vielen Dank.