Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

für die heutige erste Lesung des Netzentgeltmodernisierungsgesetzes möchte ich ein Bild nutzen, das ich schon mehrmals hier am Pult genutzt habe, wenn es um die Energie-wende ging. Es ist das Bild des Balles, den man auf der Fingerspitze balanciert. Man muss stets nachjustieren, damit er nicht herunterfällt. Und so ist es auch bei der Energiewende. Seit der letzten Bundestags-wahl gab es zwei EEG-Novellen nebst kleineren Korrekturen, das Strommarktgesetz, das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende, eineinhalb KWK-Novellen und den Vorrang für Erdkabel bei Gleichstromleitungen. Immer wieder haben wir nachgesteuert, weil es Bedarf dazu gab.

Wat nich greit of bleiht, dat geiht torügg’ – Still-stand ist Rückschritt, ist hier das Motto. Und wir können schon heute absehen, dass uns viele dieser Themen in nicht allzu ferner Zukunft wieder beschäftigen werden.

Mit dem vorliegenden Gesetz, dem NEMOG, wie es abgekürzt so schön heißt, steuern wir wieder etwas nach. Zum einen geht es im NEMOG um die Ab-schaffung der vermiedenen Netzentgelte. Ich gebe zu: Zu verstehen, was die vermiedenen Netzentgelte sind, hat bei mir etwas gedauert. Zu erklären, was die vermiedenen Netzentgelte sind und was der Sinn dahinter ist, überlasse ich gern meinen Nachrednern.

Klar ist aber: Die vermiedenen Netzentgelte dienen nicht mehr dem Zweck, mit dem sie geboren wurden. Und sie spielen bei erneuerbaren Anlagen eine unter-geordnete Rolle; denn sie werden in der 20 jährigen Zeit der Vergütungszahlung nicht an die Betreiber ausgezahlt, sondern fließen direkt ins EEG-Konto. Deshalb hat ein Wegfallen der VNE hier überschau-bare Folgen.

Ganz anders ist das bei Erzeugern, die nicht auf Sonne oder Wind basieren. Hier sind die VNE ein wichtiger Teil der Vergütung. Und genau deshalb stellt sich für meine Fraktion an diesem Punkt im Kabinettsbeschluss noch eine ganze Reihe von Fragen, die wir in den parlamentarischen Beratungen klären wollen. Das gilt sowohl für das Abschmelzen wie auch für das Einfrieren der vermiedenen Netzentgelte. Denn immerhin gestehen wir der KWK bei der Erreichung unserer Klimaziele eine wichtige Rolle zu, die wir gerade erst mit einer KWK-Novelle untermauert haben. Wenn wir jetzt über eine Abschaffung der VNE reden und keine überzeugende Alternative an-bieten, sendet das in meinen Augen völlig falsche Signale. Und da für dieses Jahr ohnehin eine große Evaluierung der KWK geplant ist, sollten wir an diesem Punkt besser nichts überstürzen.

Auf der Stromrechnung eines Normalbürgers finden sich 6 bis 7 Cent an Netzentgelten pro Kilowatt-stunde. Das kann variieren, denn das hängt auch von den Gegebenheiten im örtlichen Verteilnetz ab. Durch eine Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte würden die Netzentgelte aber in jedem Fall sinken, weil die vermiedenen Netzentgelte über die Netzentgelte finanziert werden.

Wenn wir über eine Vereinheitlichung der Netz-entgelte auf Übertragungsebene sprechen, geht es nicht um die gesamten 6 bis 7 Cent, sondern um nur rund ein Viertel davon, denn die Netzentgelte setzen sich aus den Kosten auf den unterschiedlichen Ebenen des Stromnetzes zusammen.

Die Netzentgelte auf Übertragungsebene sind vor allem für industrielle Großverbraucher bedeutsam. Hier schlagen die zum Teil erheblichen Erhöhungen der Übertragungsnetzbetreiber dieses Jahr voll durch. Die Klagen über Standortnachteile aufgrund hoher Netzentgelte gerade in den neuen Bundesländern kann ich schon ein Stück weit nachvollziehen. Des-halb hat sich ja auch der Bundesrat für eine Vereinheitlichung ausgesprochen. Wir werden also auch diesen Punkt noch zu beraten haben.

Man muss sich eben immer vor Augen führen: Die Energiewende ist ein mindestens gesamtdeutsches Projekt mit generationenübergreifender Bedeutung. Deshalb ist es auch folgerichtig, dass die Kosten der Energiewende auf möglichst viele Schultern verteilt werden.

Im Fall der Netzentgelte auf Übertragungsebene ist das momentan eben noch nicht so. Der Zuschnitt der vier Regelzonen in Deutschland ist nun mal so, dass nur zwei der vier ÜNB Nord- und Ostsee abdecken. Der Strom der Offshorewindkraft wird aber ganz sicher in ganz Deutschland benötigt; es scheint also nicht gerecht, dass nur Einwohner aus zwei Regelzonen für die Offshorenetzanschüsse zahlen.

Im Agrarausschuss des Deutschen Bundestages ist eines meiner Hauptthemen die Politik für die ländlichen Räume. Ländliche Räume sind da, wo wenig Menschen leben. Den existierenden Unterschied zwischen Stadt und Land können Sie auch an Netzentgelten ablesen. Der Anteil der ländlichen Räume in den Regelzonen der Übertragungsnetzbetreiber ist ungleich verteilt. Die Energiewende findet in den ländlichen Räumen statt. Naturgemäß sind die Netzentgelte dort höher.

Aber es gibt auch Vorteile. Ich komme aus einem solchen ländlichen Raum. Die Energiewende hat der strukturschwachen Region Ostfriesland enorm geholfen. Wir haben dadurch viel Wertschöpfung generiert. Ich bin stolz darauf, dass wir bei der weiteren Ausgestaltung der Energiewende voranschreiten.

Die Kluft zwischen Ballungsgebieten und ländlichen Regionen wollen wir zum Beispiel dadurch ver-ringern, dass wir es ermöglichen, dass die Energie-wende ein Stück weit in den urbanen Zentren statt-finden kann. Wie Sie wissen, läuft innerhalb der Bundesregierung gerade der Abstimmungsprozess für ein Mieterstromgesetz. Wir wollen, dass auch Menschen ohne das eigene Dach über dem Kopf mehr Anteil an der Energiewende haben sollen als über die Zahlung der EEG-Umlage. Durch diese gerechtere Verteilung des Nutzens der Energiewende steuern wir ebenfalls nach, halten also den Ball auf der Finger-spitze.

Und da ich gerade bei Gerechtigkeit bin: In der kommenden Legislaturperiode werden wir auch über eine gerechtere Verteilung der Lasten der Energie-wende sprechen. Dieses Thema beschäftigt uns schon seit einigen Monaten, und ich bin mir sicher, dass sich in der nächsten Periode dort etwas bewegen wird. Das wird dann einhergehen mit einer Reform der Netz-entgelte; denn die Finanzierungsfragen lassen sich kaum davon trennen. Wenn wir zum Beispiel an die Sektorkopplung denken, gibt es große Überschneidungen.

Ich möchte aber noch auf einen anderen zentralen Punkt eingehen, der direkten Einfluss auf die Netz-entgelte hat. Ein wesentlicher Treiber der ausbaubegrenzenden Maßnahmen des EEG 2017 waren die Kosten des Netzengpassmanagements. Durch den Netzausbau werden diese Kosten irgendwann nicht mehr anfallen. Der Netzausbau ist wichtig, und er muss zügig voranschreiten, obwohl ich gerade beim größten ÜNB noch ein gewisses Optimierungspotenzial sehe.

Aber wir müssen auch über Maßnahmen sprechen, die uns in den nächsten zehn Jahren ein Entlastungspotenzial bieten. Es geht also um innovative Maßnahmen beim Netzbetrieb, durch die der ge-plante Netzausbau keinesfalls infrage gestellt werden soll, die aber alles in allem höhere Übertragungsraten liefern, um im digitalen Jargon eine Anleihe zu nehmen. Es gibt dort eine ganze Reihe vielversprechen-der Ansätze. Diese wollen wir uns in den nächsten Monaten genauer anschauen, auf ihr Potenzial prüfen und gegebenenfalls auch schnellstmöglich um-setzen.

Jetzt beraten wir aber erst mal das NEMOG. Ich freue mich darauf.