Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor gut drei Jahren ist die SPD in eine Koalition mit CDU und CSU gegangen. Wir waren gut vorbereitet. Unsere Liste an Projekten, mit denen wir die Dinge in unserem Land besser machen wollten, war lang. In den Koalitionsverhandlungen haben wir schnell gemerkt, dass von CDU und CSU wenig kam.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Deshalb konnten wir viele unserer Forderungen in den Koalitionsvertrag hineinverhandeln. In den letzten drei Jahren haben wir in der Koalition ein sozialdemokratisches Projekt nach dem anderen abgearbeitet.

Die Rente mit 63: im April 2014 im Bundestag beschlossen und damit seit fast drei Jahren in Kraft.

Der Mindestlohn für alle: im Juli 2014 beschlossen und damit seit über zwei Jahren in Kraft.

(Beifall bei der SPD – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das war falsch!)

Wir haben die doppelte Staatsbürgerschaft modernisiert: 2014 beschlossen und damit seit über zwei Jahren in Kraft.

Mehr Frauen in Führungspositionen in Unternehmen: im März 2015 im Bundestag beschlossen und seit einem Jahr in Kraft.

(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Deswegen habt ihr eine Frau als Kanzlerkandidatin! Frau Schulz ist jetzt die Kandidatin!)

Die Bekämpfung von Missbrauch bei Leih- und Zeitarbeit: im Oktober 2016 im Bundestag beschlossen, ab April in Kraft.

Damit haben wir in unserem Land vieles zum Guten verändert.

(Beifall bei der SPD)

Vor der Wahl 2013 haben wir gesagt, was wir tun werden. Nach der Wahl haben wir das gemacht, was wir vorher angekündigt haben.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege, ich mache Sie darauf aufmerksam: Wenn Sie noch zum Thema reden wollen, kann ich Ihnen deswegen nicht die Redezeit verlängern.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Präsident, man soll nichts Unmögliches verlangen!)

Sören Bartol (SPD): Herr Lammert, das Schöne ist: Das kommt noch. Und die Union? Man könnte meinen, ihr weltbewegendstes Projekt sei die Pkw-Maut. Um sie zu verabschieden, brauchen wir, weil es so schön war, heute einen zweiten Anlauf; denn der erste Entwurf war von Herrn Schäuble, aber auch von Herrn Dobrindt so schlecht vorbereitet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Was sagt der Bundesverkehrsminister dazu?)

Unsere Vorhaben sind bereits in Kraft und wirken. CDU und CSU müssen bei der Pkw-Maut darauf hoffen, dass die nächste Bundesregierung ihr Lieblingsprojekt frühestens 2019 umsetzt. Ob sie dann noch daran beteiligt sind, ist offen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den Medien ist derzeit viel von den großen Herausforderungen die Rede, vor denen Deutschland steht. Häufig wird dabei auf die Kanzlerin, die jeden Tag hart für die deutschen Interessen arbeite, verwiesen. Da kann ich verstehen, wenn sich Bürgerinnen und Bürger fragen, warum ausgerechnet die Pkw-Maut gerade jetzt das wichtigste Thema im Bundestag sein soll.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Glauben Sie mir: Wir hätten gerne auf die Abstimmung am heutigen Tag verzichtet. Dass wir kein Freund der Pkw-Maut sind, dürfte jedem hier im Saal bekannt sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stimmen Sie doch dagegen!)

Vor zwei Jahren haben wir die Pkw-Maut schon einmal mit auf den Weg bringen müssen.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das sind faule Ausreden!)

Damals hat die EU-Kommission dem Bundesfinanzminister und dem Verkehrsminister das Stoppschild gezeigt. Für den unionsinternen Frieden hat die Bundeskanzlerin Herrn Juncker von der EU-Kommission bitten müssen, bei der Pkw-Maut ein Auge zuzudrücken.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! – Zuruf von der CDU/CSU: Ha, ha!)

Anstatt sich um die Probleme mit unseren europäischen Nachbarn zu kümmern, musste die Kanzlerin in Brüssel für das Projekt der CSU zu Felde ziehen – die gleiche Kanzlerin im Übrigen, die als Kandidatin 2013 im Fernsehduell mit Herrn Steinbrück versichert hatte, mit ihr würde es niemals in Deutschland eine Pkw-Maut geben.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD stimmt heute unter großen Bauchschmerzen der Pkw-Maut zu.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der Vorrede ist das das Letzte! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Buh!)

Damit zeigen wir, dass man sich in einer Koalition auch in schwierigen Situationen auf uns verlassen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir stehen zu unserem Wort. Jede Koalition braucht klare Regeln. Wir sind ein verlässlicher Partner.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Na ja!)

Uns ist auch klar: Wenn dieses Projekt von CSU und CDU heute keine Mehrheit im Deutschen Bundestag bekäme, würden beide alle noch ausstehenden Projekte und Vorhaben blockieren. Wir wollen diese Koalition jedoch bis zum Sommer gut und verlässlich zu Ende bringen, eben weil es noch immer einiges zu erledigen gibt. Meine Damen und Herren, wir haben im Koalitionsvertrag zwei Bedingungen für unsere Zustimmung vereinbart. Diese gelten nach wie vor: Kein deutscher Autofahrer darf durch die Pkw-Maut zusätzlich belastet und kein europäischer Nachbar aus dem Ausland diskriminiert werden.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müsst ihr sie ablehnen!)

Für die SPD ist es eine Frage der Gerechtigkeit, dass Mobilität in Deutschland bezahlbar bleibt. Pendlerinnen und Pendler, die tagtäglich mit dem Auto zur Arbeit fahren, dürfen nicht zusätzlich belastet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die SPD ist der Garant dafür, dass mit diesem Gesetz kein Inländer mehr bezahlen muss. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das haben wir schon von Anfang an gesagt!)

Nach dem Wink der Bundeskanzlerin in Richtung Herrn Juncker in Brüssel hat die EU-Kommission einige kleine Änderungen gefordert, die wir heute im Bundestag beschließen werden. Daraufhin wird die Europäische Union ihr Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland zurückziehen. Damit müssen wir davon ausgehen, dass die Pkw-Maut mit diesen Änderungen mit europäischem Recht vereinbar ist. Gegen die Meinung der Hüterin der europäischen Verträge können wir schlecht andiskutieren. Es bleibt die Frage der Einnahmen. Die einen Experten haben uns vorgerechnet, dass es keine Einnahmen gibt, andere Experten haben vorgerechnet, dass es mindestens eine halbe Milliarde Euro zusätzlich für die Reparatur bröckelnder Brücken und die Beseitigung von Engpässen geben wird. Damit erleben wir die gleiche Situation wie vor zwei Jahren. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat seinen Staatssekretär Jens Spahn einen Brief an uns schreiben lassen. In diesem lässt er uns übermitteln, dass er keine Zweifel an den Prognosen des Bundesverkehrsministers hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich versichere Ihnen: Dieses Schreiben werden wir uns einrahmen und auf Wiedervorlage legen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Schäuble, Herr Spahn, falls uns die Pkw-Maut doch eines Tages um die Ohren fliegen sollte, werden wir es, wo immer Sie dann in diesem Hause sitzen werden, aus der Tasche ziehen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir sitzen da vorne! – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Und dann?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, offenbar sind die Kriterien aus dem Koalitionsvertrag erfüllt. Daher werden wir als SPD-Bundestagsfraktion heute mehrheitlich dem zweiten Anlauf zur Einführung einer Pkw-Maut zustimmen. In den Diskussionen – insbesondere mit der CDU – mussten wir erleben, dass alle kritischen Äußerungen von Frau Kramp-Karrenbauer zu den Grenzregionen nicht den geringsten Einfluss auf die Linie unseres Koalitionspartners hatten. Was für ein schlechtes Standing einer Ministerpräsidentin!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Oh Gott!)

Nachdem ich von der gleichen Ministerpräsidentin vorgestern dann auch noch gelesen habe, dass die PkwMaut gar nicht kommt, frage ich mich wirklich: Was soll das? Ich bin mir sicher, am Sonntag werden die Wählerinnen und Wähler im Saarland dieser Doppelzüngigkeit eine Absage erteilen.

(Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das glaube ich nicht!)

Auch die Aussagen von Frau Klöckner aus Rheinland-Pfalz blieben folgenlos. Gleiches gilt für den Protest der CDU-Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Erst schreiben Sie Briefe, in denen Sie den Bundesverkehrsminister auffordern, die Pkw-Maut nicht erneut im Bundeskabinett beschließen zu lassen, und dann vergessen Sie im entscheidenden Moment im Bundestag Ihre Kritik und sind nicht auf dem Platz. Das ist wenig hilfreich. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass aus der CSU-Maut inzwischen endgültig ein gemeinsames Projekt von CDU und CSU geworden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und SPD! Wo ist die SPD?)

Ohne Verbündete in der CDU, die nicht nur reden, sondern sich in dem entscheidenden Moment auch nicht wegducken, hatten wir am Ende keine Chance.

(Lachen des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Erst noch ein bisschen Wahlkampf machen!)

Die SPD zeigt heute, dass sie ein verlässlicher Partner ist. In einer Koalition handeln beide Vertragspartner jeweils ihre wichtigsten Ziele aus. Dafür muss man Zugeständnisse machen. Wenn wir etwas verhandelt und vereinbart haben, liefern wir. Eines unserer bleibenden Zeugnisse dafür ist der Mindestlohn. Ihr bleibendes Zeugnis wird die Pkw-Maut sein.

(Beifall bei der SPD)

Auf uns kann man sich verlassen. Das Gleiche erwarte ich bei anderen Themen dann allerdings auch von CDU und CSU. Zeigen auch Sie, dass Sie zu Ihrem Wort stehen.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nach solchen Reden? Mein lieber Mann!)

Es gibt noch genügend Projekte aus dem Koalitionsvertrag, bei denen Sie in der Pflicht stehen. Geben Sie endlich Ihre Blockade beim Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Mann und Frau auf!

(Beifall bei der SPD)

Beenden Sie Ihren Widerstand bei der Solidarrente! Geben Sie Mieterinnen und Mietern mehr Rechte! Wir wollen diese Koalition ordentlich zu Ende bringen – verlässlich und zum Wohle unseres Landes.

(Lachen bei der CDU/CSU – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Das hört man! Da würde ich mit der Rede noch einmal neu anfangen!)

Deshalb werden wir – auch wenn es vielen meiner Kolleginnen und Kollegen schwerfällt – den Änderungen an der Pkw-Maut und der Kfz-Steuer heute mehrheitlich zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Dorothee Bär [CDU/ CSU]: Man sieht sich immer zweimal im Leben!)