Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Kollege Kiesewetter, es ist spannend, Ihnen zuzuhören. Sie gehörten ja schon einer Regierungsfraktion an.

(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Und Sie bald!)

Insofern haben Sie einen kleinen Informationsvorsprung, den Sie uns hier dargelegt haben. Man wird dann im Kabinett noch diskutieren müssen – Sie haben es gesagt–, was konkret geschehen soll.

Heute ist klar, Kollege Schmidt: Wir reden nicht über eine Mandatsverlängerung, sondern über das Auslaufen dieses Mandats. Es gibt keinen Antrag auf Verlängerung. Sie haben den Antrag gestellt, das festzustellen. Das tun wir hier durch Wortbeiträge: Das Mandat läuft am 31. Dezember dieses Jahres aus.
Die SPD hat seit 2009 mit der Ablehnung von OEF auch OAE abgelehnt. Ab 2010 waren das eigenständige Mandate, die wir ebenfalls jeweils im Bundestag abgelehnt haben. Im letzten Jahr haben wir festgestellt, dass auch bei den damaligen Regierungsfraktionen und den Rednern der Regierung, Minister de Maizière und Staatsminister Link von der FDP, ein Nachdenken darüber eingesetzt hat, ob das eigentlich noch richtig ist, was wir da im Mittelmeer machen. Ich zitiere, was Minister de Maizière in der Debatte vom 29. November 2012 dazu gesagt hat. Er sagte, man müsse eine Diskussion führen über die Notwendigkeit der Beibehaltung des Bündnisfalls, und diese Diskussion werde in der NATO von Deutschland initiiert. – Das war 2012. Staatsminister Michael Link sagte damals:
Ja, die Bundesregierung setzt sich aktiv und engagiert in der NATO dafür ein, dass der Bündnisfall als Grundlage für den OAE-Einsatz der NATO im
Mittelmeer künftig entfallen kann.
Das ist bisher ohne Ergebnis geblieben. Insofern wird man daran arbeiten müssen. Die Äußerungen waren damals schon im Sinne des Mandatsnamens: Active Endeavour – tätiges Bemühen. Es gab also auch in der NATO tätiges Bemühen, hier etwas zu ändern. Aber noch ist nichts passiert.
Wir Sozialdemokraten stellen fest: Zwölf Jahre nach 9/11 kann man nicht mehr so gut von Selbstverteidigung und Bündnisfall reden. Damals, als wir alle konkret vom Terror betroffen waren, war dies richtig. Wir mussten im Rahmen des Bündnisses etwas tun, im Rahmen der Operation Enduring Freedom, die zunächst keine NATO-Aktion war. Dies haben wir mandatiert; aber das Mandat läuft jetzt aus. So ist auch OAE zu einem Prüffall für die neue Koalition geworden.
Natürlich besteht auf der Welt noch immer Terrorgefahr, auch für Deutschland. Zu bekämpfen ist der Terrorismus in konkreten militärischen Missionen, sofern er überhaupt militärisch bekämpft werden kann. So eine konkrete Mission haben wir in Afghanistan. Ansonsten ist Terrorismus überall auf der Welt durch die Polizei zu bekämpfen, insbesondere durch die internationale Zusammenarbeit der Polizei. Er ist dort zu bekämpfen, wo er droht, aber nicht in erster, zweiter oder dritter Linie durch ein NATO-Geschwader im Mittelmeer.

(Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD])

Die Mission im Mittelmeer ist heute eher symbolisch.
Gleichzeitig wissen wir aber, dass die NATO im Mittelmeer präsent sein muss

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Richtig!)

und auch vorher schon im Mittelmeer präsent gewesen ist,

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

und zwar mit Standing Naval Force. Wir haben zwei Maritime Groups mit Fregatten, und wir haben zwei Minensuchverbände der NATO, davon jeweils einen Verband im Mittelmeer. An jeweils mindestens einem Verband beteiligt sich Deutschland. Insofern sind wir im Mittelmeer immer mit eigenen Kräften vertreten.
Diese ständigen NATO-Verbände sind auch der Kern von OAE. OAE ist sozusagen keine Operation aus sich heraus. Es gibt quasi die Tradition, eine Operation zu sein. Die längere Tradition hat aber die Standing Naval Force im Mittelmeer. Diese Forces sind Kern der jeweiligen OAE-Mission, die einem eigenen Befehlshaber untersteht.
Diese Forces wären aber auch ohne OAE dort. Auch wir wären ohne die Operation Active Endeavour dort.
Ich habe mir von der Marine berichten lassen, was wir in den letzten zwei Jahren im Mittelmeer im Einsatz hatten: Wir waren mit 14 Fregatten, 3 Unterstützungsschiffen, 4 Minenabwehreinheiten und einem U-Boot beteiligt. – Nicht gleichzeitig. Kollege Gädechens rechnet schon die Größe der neuen Flotte aus, die mit der Großen Koalition kommt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Guter Mann!)

Das ist eine erhebliche Präsenz. Wir sind kontinuierlich vor Ort. Außerhalb von UNIFIL – östliches Mittelmeer – haben wir eine dauerhafte, ständige, erhebliche Präsenz deutscher Marinestreitkräfte im Mittelmeer. Das soll auch so bleiben. Das ist sinnvoll. Das ist notwendig. Das ist auch vorher so gewesen. Aber ob wir dafür eine Operation auf der Grundlage eines Bündnisfalls, auf der Grundlage von Art. 5 des NATO-Vertrages brauchen, stellen wir doch sehr in Zweifel. Wir freuen uns, dass das unser Koalitionspartner in spe auch so sieht. Das ist an den Äußerungen in der letzten Debatte und Ihren Äußerungen heute abzulesen. Da ziehen wir am gleichen Strang.

(Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Sehr schön!)

Wir müssen die Sache in der NATO klären. Es gibt drei Möglichkeiten: Entweder die OAE entfällt – dann gibt es auch kein Mandatierungsproblem –, oder die exeexekutiven Befugnisse von OAE – Frau Kollegin Keul hat den Operationsplan angesprochen – entfallen. Dann wird das eine reine Beobachtungsgeschichte sein: Man sichtet den Schiffsverkehr und meldet an irgendeine Zentrale.
Das kann man ohne Mandat machen. Wenn das nicht der Fall ist, wenn OAE bleibt, haben wir immer noch das Problem bzw. die Frage zu klären, was mit AWACS ist; denn AWACS ist eine integrierte Verwendung. Wenn AWACS eingesetzt wird, dann können wir mit unseren deutschen Kräften an Bord der AWACS-Maschinen, die von Geilenkirchen aus starten, im Zweifel die ganze Mission lahmlegen. Das ist nicht in unserem Interesse.
Wir müssen darüber reden, ob das extra mandatiert werden muss. Ist der AWACS-Einsatz mandatspflichtig, wenn wir an der Operation ansonsten nicht teilnehmen, diesen Baustein aus dem NATO-Einsatz aber nicht herausnehmen wollen? Das muss das Kabinett klären, wenn wir endlich ein Kabinett haben, das handlungsfähig ist.
Für uns ist klar – ich glaube, das kann ich für alle bisherigen, künftigen und gern gesehenen Koalitionspartner sagen –: Es darf keinen Einsatz bewaffneter Streitkräfte in bewaffneten Unternehmungen geben, ohne dass das Parlament darüber entschieden hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Grundsatz ist für uns nicht verhandelbar. Er gilt auch für die Zukunft dieses Mandats, über die noch zu verhandeln sein wird. Es ist aber auch klar, dass es, wenn es keine bewaffnete Unternehmung gibt, keine Mandatierung durch das Parlament geben muss. Wir müssen den Parlamentsvorbehalt nicht ins Leere laufen lassen.
Das alte Mandat läuft also aus. Ob es ein neues geben wird, ist offen. Geklärt wird das von der neuen Regierung, auf die wir uns freuen.
Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Das war ein sehr vernünftiger Beitrag!)