Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Erst einmal Danke an die Linke, wenn auch nicht für den vorliegenden Antrag

(Klaus Ernst (DIE LINKE): Doch! Doch! Auch! Auch!)

- daran hätte ich einiges zu bekritteln -, wohl aber dafür, dass wir über das wichtige Thema Leiharbeit und die große Frage der Ordnung auf dem Arbeitsmarkt sprechen können. Das ist eines der Herzensanliegen der Sozialdemokratie: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Dafür setzen wir uns ein.

(Beifall bei der SPD)

Leih- und Zeitarbeit war im eigentlichen Sinne dafür gedacht, Unternehmen zu ermöglichen, Spitzen abzufedern und flexibler zu agieren, um am Markt wettbewerbsfähig zu sein. Bei Werkverträgen handelt es sich um ein uraltes Instrument - Karl Schiewerling hat es schon erwähnt -: Seit 1900, also seit über 100 Jahren, ist es im BGB verankert.Selbstverständlich hat niemand außer manchen bei den Linken etwas gegen Zeitarbeit, wenn sie Auftragsspitzen abfedert, wenn zum Beispiel kurzfristig viele Beschäftige krank werden und ein Unternehmen einen Auftrag sonst nicht erledigen kann.

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Das hat er doch gesagt!)

Es ist ein äußerst sinnvolles Instrument unter der Voraussetzung, dass diese Menschen sehr gut bezahlt und sehr gut behandelt werden. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss eben auch in diesem Bereich gelten. Das ist ein SPD-Grundprinzip. Werkverträge sind ein tolles Instrument - ich hatte selber schon einen Werkvertrag -, wenn der Werkvertragsnehmer gerne selbstständig arbeitet und weisungsungebunden ein Werk vollbringen kann. Die Realität der letzten Jahre und auch des Jahres 2015 sieht aber anders aus.

Ich habe einige Beispiele aus meinem Leipziger Wahlkreis mitgebracht, die ich alle aus eigener Anschauung kenne. Dort gibt es ein Unternehmen mit einem sehr guten und sehr bekannten Namen, das sehr teure und wichtige Teile für den Automobilsektor herstellt. Das hat es im produktiven Bereich - nein - nicht mit 30 Prozent Leiharbeit, - nein - nicht mit 50 Prozent Leiharbeit, sondern zu fast 100 Prozent mit Leiharbeitern aus unterschiedlichen Leiharbeitsunternehmen gemacht.

(Katja Mast (SPD): Das ist unglaublich! - Markus Paschke (SPD): Missbrauch!)

Das ist sozusagen eine immerwährende Just-in-time/Just-in-sequence-Auftragsspitze gewesen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so haben wir das mit dem Abfedern-Können von Auftragsspitzen nicht gemeint.

(Beifall bei der SPD)

Als Sozialdemokraten können und wollen wir so etwas nicht hinnehmen.Ich habe große OEMs in meinem Wahlkreis, worüber ich mich sehr freue - das sind sehr gute Arbeitgeber -, aber auch dort werden seit der Ansiedlung der Unternehmen Leiharbeit und Werkverträge genutzt. Bei den OEMs, den Automobilherstellern, wurden Leiharbeit und Werkverträge von Anfang an genutzt - das ist eingepreist -, und zwar nicht nur, um Auftragsspitzen abzufedern oder durch bessere Organisation Gewinn aus selbstständig organisierter Arbeit anderer zu erzielen, sondern um geringere Löhne zahlen zu können. Das ist sowohl durch Leiharbeit möglich als auch dadurch, dass in Werkvertragsunternehmen andere Tarifverträge als die der IG Metall gelten. Als die Ansiedlung der Unternehmen erfolgte, gab es in manchen dieser Werkvertragsunternehmen überhaupt keine Tarifverträge.

Daraus ergibt sich, dass in diesen großen Unternehmen mindestens vier unterschiedliche Gruppen in einer Werkhalle am Band arbeiten: die Festangestellten, die Leiharbeiter des OEM, die Werkvertragsunternehmer zahlreicher Werkvertragsunternehmen und die Leiharbeiter, die in den Werkvertragsunternehmen angestellt sind - alle mit deutlich unterschiedlichen Nettoeinkommen und Arbeitsbedingungen wie auch mit einem deutlich unterschiedlichen Sicherheitsgefühl.

Ich habe mit sehr vielen Leiharbeitern und Angestellten in Werkvertragsunternehmen in meinem Wahlkreis gesprochen. Es mag einige wenige geben, die sich das gezielt ausgesucht haben, zum Beispiel IT-Freaks, die selbstständig arbeiten und es vorziehen, mal hier und mal da zu arbeiten. Die meisten, mit denen ich gesprochen habe, haben aber klar gesagt: Ich arbeite in diesem Werkvertragsunternehmen bzw. als Leiharbeiter, weil mein Ziel eine Festanstellung in einem der großen Unternehmen ist. Das ist der Grund, warum ich das tue.

(Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und? Funktioniert es?)

Ich habe schon Leiharbeitnehmer in meinem Wahlkreis getroffen, die seit zehn Jahren beim selben Leihunternehmen angestellt sind und auf ihre Übernahme warten. Ich sage Ihnen: Es ist eine der ganz großen Lücken dieses Gesetzes, dass wir keine Höchstüberlassungsdauer haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Betroffenen wissen sehr wohl, warum sie in dieser Form angestellt sind, nämlich weil sie preiswerter als die Festangestellten sind. Sie wissen auch, dass sie das Risiko tragen. Wenn sich nämlich die wirtschaftliche Lage verschlechtert, sind sie die Ersten, obwohl sie beim Leihunternehmen fest angestellt sind, denen gekündigt wird. Ich will aber auch sagen: In den letzten Jahren hat sich bei den Automobilherstellern eine ganze Menge bewegt, vor allen Dingen durch sehr starke Gewerkschaften und sehr mutige Betriebsräte.

(Beifall bei der SPD)

Da sind Tarifverträge ausgehandelt worden, und Leiharbeiter bekommen Zuschläge.

(Karl Schiewerling (CDU/CSU): So ist es richtig!)

Sie bekommen zumindest nach einiger Zeit das gleiche Grundgehalt. Über Zuschläge und andere Arbeitsbedingungen müsste man noch reden. Mittlerweile haben BMW und Porsche zugesichert, dass sie nur noch Werkvertragsunternehmen verpflichten wollen, die nach IG-Metall-Tarifen bezahlen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich muss sagen: Das hätte man wohl mit keinem Gesetz der Welt geschafft. Das waren die Betriebsräte.

(Karl Schiewerling (CDU/CSU): So ist das, genau so!)

BMW hat zudem eine Quote für Leiharbeiter eingeführt und will nicht mehr als einen gewissen Prozentsatz von Leiharbeitern beschäftigen. Trotzdem gibt es jede Menge zu tun, auch weil wir nicht überall die tollen Betriebsräte haben. Equal Pay und Höchstverleihdauer für die Leih- und Zeitarbeit sind für uns ganz zentrale Punkte. Wenn wir sehen, dass schon die Debatte über die Re-Regulierung der Zeitarbeit dazu führt, dass in Werkverträge ausgewichen wird, dann sage ich: Wir müssen gerade in diesem Bereich stark draufgucken und regulieren. Markus Paschke hat die Auswüchse beschrieben. Wir brauchen eine Abgrenzung zu Scheinwerkverträgen und zur Scheinselbstständigkeit ebenso wie zur verdeckten Arbeitnehmerüberlassung, und natürlich brauchen wir eine viel, viel stärkere Kontrolle.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Als Sozialdemokraten haben wir gesagt: Ordnung auf dem Arbeitsmarkt ist unser wichtigstes Thema. Dafür haben wir gekämpft. Dazu gehört auch die Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen. Wir sind stolz, dass wir das im Koalitionsvertrag auch so festgeschrieben haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden das umsetzen. Dass die betriebliche Mitbestimmung in diesem Zusammenhang ein ganz wichtiger Punkt ist, habe ich mit meinen Beispielen deutlich gemacht. Die betriebliche Realität ist sehr vielfältig. Deswegen werden wir gemeinsam mit den betrieblichen Akteuren darüber sprechen, wie wir das wirklich sehr komplexe Feld gesetzlich regeln. Dann werden wir einen sehr guten Gesetzentwurf hier vorlegen und auch gemeinsam beschließen. Darauf freue ich mich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)