Auf Einladung des Projekts „Gleichstellung“ diskutierten am 24. Mai 2012 in Berlin Expertinnen und Experten den im März von der Fraktion eingebrachten Quoten-Gesetzentwurf - und bestärkten die Fraktion einmal mehr in ihrem gesetzlichen Vorhaben.

Claudia Nagel, Vorsitzende des Verbands der Unternehmerinnen Hessen, war früher gegen eine gesetzliche Quotenregelung. Inzwischen ist für sie deutlich geworden, dass Selbstverpflichtungen den Frauen nichts bringen. Für sie steht fest: „Ohne Quote erreichen wir keine Bewegung“, eine gesetzliche Vorgabe sei zudem ein „sichtbares Fanal“. Dabei hält die Unternehmerin eine 30-Prozent-Quote für das Minimum, „damit auch die Vielfalt sichtbar wird.“

Christel Humme, gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion, pflichtete der Unternehmerin aus Hessen bei: „Es geht nur mit einer gesetzlichen Quote. Klar ist aber auch, dass man dann nicht unter die 30-Prozent-Marke gehen darf.“ Nach dem Fraktionsgesetzesentwurf müssen die Aufsichtsräte ab 2013 mit mindestens 30 Prozent Frauen besetzt sein, die Vorstände müssen einen Frauenanteil von 20 Prozent vorweisen. Ab 2015 gilt für beide Gremien die Zielmarke 40 Prozent. Wer die Mindestquoten nicht erfüllt, wird sanktioniert: „Das funktioniert am besten, wenn wir mit Machtverlust drohen“, erklärte Humme.

Deshalb sieht der Fraktionsgesetzesentwurf das Prinzip der freien Stühle vor: Werden mit Neuwahlen die Quotenvorgaben nicht erfüllt, bleiben die entsprechenden Sitze frei. Damit liegt die Verantwortung allein bei den Unternehmen: Besetzt der Aufsichtsrat innerhalb eines Jahres nicht quotengerecht nach, verliert er seine Beschlussfähigkeit. Ein unquotierter Vorstand verliert nach einem Jahr seine alleinige Vertretungsmacht, die teilweise auf den Aufsichtsrat übergeht. 

Birgitta Brockmann, Gleichstellungsbeauftragte der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Direktion Potsdam), findet das Prinzip der freien Stühle gut. Denn die Regierungsdirektorin weiß aus ihrer beruflichen Praxis: „Leider sieht das Bundesgleichstellungsgesetz keine schlagkräftigen Sanktionen vor, wenn Führungskräfte in der Bundesverwaltung das Gesetz nicht umsetzen.“ Sie fordert deshalb Konzequenzen für diejenigen, die das Gesetz nicht anwenden. Vorstellbar sei etwa, die Umsetzung des Bundesgleichstellungsgesetzes in den Kriterienkatalog für dienstliche Beurteilungen aufzunehmen. „Denn in der Bundesverwaltung ist die dienstliche Beurteilung die Voraussetzung dafür, weiter zu kommen. Und Beförderung bedeutet Macht.“

Matthias Lindner, Genderbeauftragter bei verdi,  betonte: „Es sind nicht nur die Männer, die die Macht haben. Es ist ein ganz bestimmter Typus von Männern - und dazu gehören nicht diejenigen, die sich um ihre Familie kümmern wollen.“ Der Gewerkschafter plädierte deshalb für ein Umdenken: „Es müssen Strukturen geschaffen werden, um die Old Boys Networks aufzubrechen.“
Dagmar Ziegler, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, hält es für notwendig, Frauen den Zugang zu Führungspositionen zu erleichtern. Dafür müssten sich Frauen auch keineswegs entschuldigen. „Ich meine, es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Frauen die gleichen Rechte erhalten wie Männer.“