Dass Europa auf wirtschaftlich schwere Zeiten zusteuert, ist inzwischen unübersehbar. Auch vor Deutschland macht diese Entwicklung nicht halt. Wirtschaftsinstitute schrauben ihre Wachstumsprognosen nach unten; auch die Bundesregierung hat das getan. Gleichwohl bleibt es bei Wachstum. Eine Situation wie 2009, also eine tiefe Rezession, ist gegenwärtig nicht zu befürchten. Für Deutschland als Exportnation wirken sich die Konflikte um die Ukraine und Russland ebenso negativ aus wie das zurückgehende Wachstum der Schwellenländer und die mangelnde Erholung im Euroraum.

Daraus aber den Zusammenhang zu konstruieren, das verringerte Wachstum Deutschlands liege an der Rentenreform oder dem Mindestlohn, wies SPD-Fraktionschef Oppermann zurück: „Der Mindestlohn tritt erst 2015 in Kraft. Was ist das für eine sonderbare Argumentation?!“ Das Gegenteil sei der Fall. Der Mindestlohn bringe eine milliardenschwere Kaufkraft, stärke die Binnennachfrage und sorge für mehr Importe. Richtig sei ebenso, „dass wir den Rentenbeitrag senken, wenn die Möglichkeit besteht.“ Auch das bringe Milliarden an Entlastung für die Menschen und Unternehmen.

Keine neuen Schulden

In die Sorge um einen Konjunktureinbruch mischen sich auch Stimmen, der für 2015 geplante ausgeglichene Haushalt müsse aufgegeben, stattdessen müssten neue Schulden gemacht werden. Überhaupt kein Thema sei das, stellte Oppermann klar: „Mit dem Wachstum von einem Prozent können wir einen ausgeglichenen Haushalt erreichen.“ Der werde Ende November auch im Bundestag beschlossen.

Oppermann wie auch die übrigen Redner der SPD-Fraktion, Bernd Westphal und Joachim Poß, machten deutlich, dass es keinen Grund für Panik gebe. Deshalb, so der Fraktionschef, bedürfe es auch keines hektischen Aktionismus und keiner Einmaleffekte, sondern einer Strategie, „wie wir mit öffentlichen und privaten Investitionen die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft dauerhaft stärken können“.

Oppermann stellte klar, „dass die Frauenquote kommt. Und sie kommt mit Macht!“. Schließlich seien Frauen in Führungspositionen keine Belastung für die Wirtschaft.

Etliche Maßnahmen hat die Koalition auf den Weg gebracht, um die Länder, aber auch die Kommunen zu entlasten, ob es nun die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist, die Komplettübernahme des Bafög durch den Bund oder die Entlastung bei der Grundsicherung. Vieles davon kommt erst noch, insofern können diese Maßnahmen noch gar nicht wirken. Darüber hinaus bereitet Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eine Investitionsagenda vor, die mit Bürokratieabbau für die Wirtschaft einhergehen wird.

All das machte Oppermann deutlich. Er verhehlte auch nicht, wie schwer es ist, harte Strukturreformen durchzusetzen, die einige Euro-Länder vor sich hätten. Neben diesen Reformen seien darum Wachstumsimpulse unerlässlich. Er bezog sich damit auf ein angekündigtes Wachstumsprogramm von EU-Kommissionspräsident Juncker. 

Frankreich und Deutschland stehen zusammen

Ausdrücklich lobte der Fraktionschef die Reformbemühungen der italienischen und französischen Regierung. Denn trotz Meinungsverschiedenheiten gelte: „Frankreich und Deutschland dürfen sich nicht auseinanderdividieren lassen“.

Auf die Strukturreformen ging auch der SPD-Finanzexperte Joachim Poß ein. Europa müsse sich rüsten für das, was nun komme, deshalb seien die Strukturreformen so wichtig. Er erklärte, was er damit meint: „Es geht zum Beispiel um vernünftige Berufsausbildungssysteme“. Es gehe aber auch um Reformen der Justiz, um Korruption besser bekämpfen zu können, und natürlich um Steuerreformen. Dringend müsse beendet werden, dass multinationale Konzerne durch Steuerschlupflöcher kaum noch Steuern in der EU bezahlen.

Der SPD-Abgeordnete Bernd Westphal machte deutlich: „Nur wenn es unseren Partnerländern gut geht, kann unsere Wirtschaft auf Dauer erfolgreich sein.“ Der europäische Pakt für Wachstum und Beschäftigung müsse darum auf seine Wirksamkeit überprüft werden. Für Westphal sind die Stärkung der Wirtschaft und die Stärkung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zwei Seiten derselben Medaille. Zu Wachstumsimpulsen gehört für ihn auch die Versorgungssicherheit bei Energie. Die SPD-Fraktion stütze den Kurs von Wirtschaftsminister Gabriel.

Den IS stoppen

Mit Blick auf den Europäischen Rat widmete sich Thomas Oppermann ausführlich der Außenpolitik. Aufs Schärfste verurteilte er die Massaker des IS und stellte klar: „Wenn ich heute sehe, was in der Grenzstadt Kobane passiert, bin ich froh, dass wir die Lieferung dringend benötigter Waffen an die Kurden im Nordirak nicht abgelehnt haben“. Er kritisierte die Politik der Grünen, die plötzlich einen Einsatz der Bundeswehr in Syrien nicht ausschließen. Dabei wüssten die Grünen ganz genau, so Oppermann, dass es in dieser Situation kein UN-Mandat geben wird, weil der Sicherheitsrat in dieser Frage blockiert ist. Er hält es für „völlig abwegig“, in dieser Situation deutsche Soldaten in den syrischen Bürgerkrieg zu schicken.

Schließlich versicherte Oppermann, dass der Bund die Kommunen beim Unterbringen der Flüchtlinge nicht allein lasse. Er forderte eine Änderung des Baugesetzbuches für den schnellen Bau von Unterkünften und auch Entlastungen im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Oppermann mahnte an, dass Europa mehr Flüchtlinge aufnehmen müsse und bat die Bundeskanzlerin, dieses Thema beim Europäischen Rat anzusprechen.

Alexander Linden

 

Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden, Thomas Oppermann, MdB: