Am 18. Februar luden die SPD-Bundestagsabgeordneten Martin Dörmann und Lars Klingbeil Gäste aus Politik, Medien, Wirtschaft und Wissenschaft zu einem weiteren Dialogforum zur Reform der Medien- und Kommunikationsordnung ein. Die Expertinnen und Experten kamen ins Paul-Löbe-Haus, um über neue Ansätze bei der Plattformregulierung zu diskutieren.

Das Thema bezieht sich auf Rundfunkangebote und wird derzeit in einer der fünf Arbeitsgruppen der Bund-Länder-Kommission für eine konvergente Medienordnung behandelt. Hintergrund hierfür ist, dass Rundfunk heute nicht nur klassisch linear sondern zunehmen auch über das Internet und neuartige Benutzeroberflächen verbreitet wird.

Aus Sicht der für die Regulierung zuständigen Medienanstalten ist die rundfunkrechtliche Plattformregulierung im Sinne einer positiven Vielfaltsicherung zu verstehen: „Plattformregulierung soll sicherstellen, dass die Breite der Angebote und Anbieter auch tatsächlich beim Zuschauer ankommen kann“, heißt es in einer Stellungnahme für die Kommission. Dabei sei zu unterscheiden zwischen Netzen und Benutzeroberflächen. Bei Netzen und vergleichbaren Diensten (Beispiel Zattoo) gehe es primär um den Zugang und Zugangskonditionen. Bei Benutzeroberflächen stünden Aspekte der Sortierung und der Auffindbarkeit im Vordergrund.

Als Vertreter der Bund-Länder-Kommission waren Stefan Schnorr aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie Sandra Winterberg aus der Senatskanzlei Berlin zu Gast. Das hochkarätige Podium komplettierten Dr. Susanne Pfab, Generalsekretärin der ARD, Thomas Fuchs von der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein, Dr. Andrea Huber von ANGA, Claus Grewenig vom VPRT, Heiko Zysk von der Videoplattform maxdome sowie Jan Kottmann von Google.

Sandra Winterberg, Rundfunkreferentin der Senatskanzlei Berlin, stellte zunächst die Position der Bundesländer vor. Die Länder verfolgen gemäß ihres verfassungsrechtlichen Auftrags das Ziel, Meinungsmacht durch positive Vielfaltssicherung und Sicherung der kommunikativen Chancengleichheit auch in einem konvergenten Medienumfeld zu gewährleisten. Wesentliches Ziel sei ein diskriminierungsfreier Zugang der Nutzerinnen und Nutzer verbunden mit der Sicherung von medialer Vielfalt und Meinungsfreiheit. So müssten der Plattformbegriff und sein Anwendungsbereich zeitgemäß und technologieneutral, aber ausgehend vom bisherigen Rundfunkrecht angepasst und die Kriterien für die Verbreitung und Auffindbarkeit klarer formuliert werden. Winterberg betonte, dass neue Player der Medienbranche auch neue Gefährdungen mit sich brächten. Auffindbarkeit dürfe aber nicht von ökonomischer Stärke abhängen, sondern müsse sich an sachlichen Kriterien orientieren. Sie setzte sich für einen präventiven Rechtsrahmen ein, der durch die Landesmedienanstalten überwacht werden solle.

Transparenz und Klarheit im Angebot

Stefan Schnorr, Abteilungsleiter für Digital- und Innovationspolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), unterstrich die Notwendigkeit zur Aktualisierung der Plattformregulierung im Sinne einer Abkehr von einer Knappheits- und linear orientierten Regulierung. Er hob aus Sicht des Bundes hervor, dass eine klare Abgrenzung zwischen Plattformen und Intermediären extrem wichtig sei. Er plädierte für einen engen Plattformbegriff, der stark auf Medienplattformen für audiovisuelle Inhalte mit besonderer Meinungsbildungsrelevanz abzielt, während App Stores etc. eher als allgemeine kommerzielle Anbieter verstanden und im Zweifel unter die Intermediäre subsummiert werden sollten. Nach Schnorr sollten auch die Grundsätze des Zugangs und der Auffindbarkeit (must-be-found-Regelungen) deutlicher geregelt werden. Möglich wäre etwa eine abgestufte Regulierung z. B. durch Privilegierung von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und qualifizierten Angeboten privater Anbieter – im Gegensatz zu anderen Angeboten.

Gleichwohl betonte Schnorr Zweifel daran, ob die Medienvielfalt tatsächlich in besonderem Maße von den gegenwärtigen Entwicklungen bedroht sei und ob nicht selbstregulatorische Elemente bzw. eine nachträgliche Marktkontrolle ausreichend seien, zumal auch das Wettbewerbsrecht bei schweren Verwerfungen gute Instrumente bereithalte. Abseits aller Regulierung käme vor allem der Nutzerautonomie eine besondere Rolle zu. Der Nutzer und die Nutzerin müssten selbst entscheiden können, in welcher Reihung Angebote sichtbar sind. Gleichzeitig würden aber auch Voreinstellungen selten geändert, so dass sinnvolle, aber änderbare Vorgaben anzustreben seien.

Chancengleichheit gewährleisten

Der Direktor der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH), Thomas Fuchs, betonte, dass es angesichts bereits bestehender Aufsichtsmöglichkeiten eher „um das Florett als um die Regulierungskeule“ gehe, um Chancengleichheit und Vielfalt in der Medienlandschaft zu gewährleisten. Leichte Anpassungen auf Basis der Rundfunkregulierung genügten. Wichtig sei es, die Auffindbarkeit auf allen Endgeräteoberflächen nach transparenten, diskriminierungsfreien und nutzerfreundlichen Kriterien zu gestalten.

Dr. Susanne Pfab verwies als Generalsekretärin der ARD auf schlechte Erfahrungen mit primär gewinnorientierten Plattformbetreibern. Daher müssten gesellschaftlich relevante Inhalte wie die der öffentlich-rechtlichen Sender zumindest vorinstalliert sein. Nicht jeder Zuschauer und jede Zuschauerin könne und wolle in die Details der Sortierung von Sendeplätzen vordringen.

Dr. Andrea Huber, Geschäftsführerin des Verbandes Deutscher Kabelnetzbetreiber (ANGA) und Claus Grewenig, Geschäftsführer des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) sowie Heiko Zysk, Vertreter für die Videoplattform maxdome, konnten demgegenüber keine Orientierungslosigkeit der Nutzer feststellen und plädierten für mehr Vielfalt bei tendenziell weniger Regulierung. Diese könne die Dynamik des Marktes und die Kreativität der Anbieter behindern. Ein flexibler Ordnungsrahmen sei am besten geeignet, um praktikable Lösungen hervorzubringen. Regulierung müsse vor allem auch wenig marktmächtigen Unternehmen zugutekommen.

Vielfalt sichern

Vertreter von Google Deutschland erläuterten abschließend einige Hintergründe zu Android TV und zum Google Playstore. Jan Kottmann (Google) betonte, dass die Regulierung nicht vor dem Bedarf stehen dürfe. Gleichzeitig warnte er davor, eindimensionale Vorgaben für Listungen zu machen, die möglicherweise nicht (mehr) den Bedürfnissen der Nutzer entsprächen.

In der anschließenden Diskussion meldeten sich Expertinnen und Experten der Medienbranche, Vertreter der Industrie oder Wissenschaft wie z. B. Professor Wolfgang Schulz vom Hans-Bredow-Institut, Vertreter der Medien sowie Plattformanbieter wie Zattoo oder UnityMedia zu Wort. Themen wie Signalintegrität, mangelnde empirische Grundlagen, Mündigkeit des Verbrauchers und Kabelweitersendung wurden intensiv diskutiert.

In der Schlussrunde zeigte sich, dass ein breiter Konsens für einen „schlanken Regulierungsansatz“ (Fuchs) besteht. Bei allen noch offenen Detailfragen seien es vor allem kleinere Eingriffe, die bestehende „Unwuchten nivellieren“ (Winterberg) könnten und zu Vielfaltssicherung bei fairen und verlässlichen Rahmenbedingungen beitragen könnten.

Martin Dörmann zog als Moderator ein insgesamt positives Fazit der Debatte: Alle Beteiligten seien sich in dem Ziel einig, bei größtmöglichem Wettbewerb die Medienvielfalt zeitgemäß sichern zu wollen. Gleichzeitig spielten Planungssicherheit und Chancengleichheit für alle Akteure eine zentrale Rolle, so dass am Ende des Prozesses möglichst klare Regulierungsansätze stehen müssten.

Bis zur Konferenz der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit der Bundeskanzlerin am 16. Juni 2016 will die Bund-Länder-Kommission ihre Arbeit abschließen und konkrete Lösungsvorschläge zur Plattformregulierung und anderen Themenfeldern formulieren. Im Dezember hatten Bund und Länder bereits einen Zwischenbericht vorgelegt. Die SPD-Bundestagsfraktion begleitet die Arbeit der Kommission mit einer Projektgruppe, die von Martin Dörmann und Lars Klingbeil geleitet wird.