60 Jahre Tarifeinheit – gut für den sozialen Frieden im Betrieb

„Von der Tarifeinheit hat das Land 60 Jahre profitiert“, sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in der Debatte. 60 Jahre hätten sich die Gewerkschaften von der Idee leiten lassen: „Gemeinsam sind wir stärker als gegeneinander“, stellte Nahles klar. Die Tarifeinheit habe dazu geführt, dass „Gewerkschaften und Arbeitgeber ihre jeweiligen Interessen durchsetzen und dabei immer den Ausgleich im Blick haben. Dieser Ausgleich ist ein echter Standortvorteil für Deutschland“, unterstrich die Ministerin. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Jahre 2010, die Tarifeinheit aufzuheben, hätten Arbeitgeber und der Deutsche Gewerkschaftsbund die Bundesregierung aufgefordert, die Tarifeinheit per Gesetz wiederherzustellen. „Beide Seiten wollen die Tarifeinheit, denn sie wissen um den Wert des sozialen Friedens in den Betrieben“, sagte Nahles. Tarifkollisionen würden die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gefährden.

Rede von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles MdB

[rede: 5117621]

Streikrecht wird nicht angetastet

Die Arbeitsministerin hob hervor, dass Streiks und Arbeitskämpfe „manchmal sein müssen“. In der Geschichte der Bundesrepublik hätten Gewerkschaften nicht nur für ihre Mitglieder gestreikt, sondern auch für gesellschaftlichen Fortschritt: „Streiks und Arbeitskämpfen haben wir zu verdanken, dass wir eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeitszeitverkürzungen, Gesundheitsschutz, Weiterbildung und moderne Ansätze zur Bewältigung der demografischen Herausforderung haben“, machte Nahles deutlich. Das Streikrecht werde nicht angetastet. Dass die Tarifeinheit kleinen Gewerkschaften nicht schadet, zeigte sie an der Tatsache auf, dass die Gewerkschaft der Lokführer seit 1876 als eine der ältesten Gewerkschaften in Deutschland 60 Jahre Tarifeinheit überstanden habe.

Entsolidarisierung hilft Beschäftigten nicht

„Wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht und es dann alleine isst, bleiben all diejenigen hungrig, die das nicht können oder um die sich niemand kümmert“, anhand dieses Bildes beschrieb Bernd Rützel, zuständiger Berichterstatter der SPD-Fraktion, die Stärke und Solidarität der Einheit. Auf sie hätten sich 80 Frauen und Männer vor 70 Jahren verständigt. Die Entsolidarisierung innerhalb der Gewerkschaftsbewegung helfe niemanden – „schon gar nicht den Beschäftigten“, bekräftigte er.

Rede von Bernd Rützel MdB

[rede: 5117694]

Gesetz ist Aufruf zur Kooperation

„Das Tarifeinheitsgesetz stellt sicher, dass zwei Personen für die gleiche Arbeit in einem Betreib nicht unterschiedlich entlohnt werden, nur weil sie unterschiedlichen Gewerkschaften angehören“, stellte Ralf Kappschack (SPD) fest, Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Es sei auch in Zukunft möglich, dass Gewerkschaften gemeinsam Tarifverträge verhandeln: „Das Gesetz ist eine Aufforderung zur Kooperation.“

Rede von Ralf Kapschack MdB

[rede: 5117766]

Was regelt das Tarifeinheitsgesetz?

Der Grundsatz der Tarifeinheit greift nur dann, wenn es nicht gelingt, die Kollision von Tarifverträgen für die gleichen Beschäftigtengruppen zu vermeiden. In diesem Fall gilt der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft, die im Betrieb über die meisten Mitglieder verfügt. Kollisionen lassen sich dadurch vermeiden, dass die Gewerkschaften ihre Zuständigkeiten untereinander abstimmen und dafür sorgen, dass ihre Tarifverträge für verschiedene Beschäftigtengruppen gelten. Oder aber sie kommen überein, dass ein ergänzender Tarifvertrag zusätzliche Regelungen für eine bestimmte Arbeitnehmergruppe vorsieht. Die Gewerkschaften können auch ihre Forderungen abstimmen und gemeinsam in einer Tarifgemeinschaft ihre Tarifverträge verhandeln oder inhaltsgleiche Tarifverträge abschließen. Innerhalb eines Dachverbandes können bestehende verbandsinterne Konfliktlösungsverfahren genutzt werden.

Zum Schutz der kleineren Gewerkschaften ist vorgesehen, dass sie gegenüber der Arbeitgeberseite ein vorgelagertes Anhörungsrecht erhalten. Zudem wird ihnen ein Recht eingeräumt, den Mehrheitstarifvertrag im Falle der Kollision nachzuzeichnen.
Das Tarifeinheitsgesetz greift nicht in die Koalitionsfreiheit und nicht in das Streikrecht ein. Es wird sowohl vom Bundesjustizministerium als auch vom Bundesministerium des Innern als verfassungskonform bewertet. Dies wurde in der Anhörung am 4. Mai 2015 auch vom ehemaligen Vorsitzenden des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, bestätigt. Mit dem Gesetz stärkt die Koalition eine solidarische Tarifpolitik.