Die deutsche Wirtschaft ist in guter Verfassung. Die Erwerbstätigkeit liegt auf Rekordniveau, die Arbeitslosigkeit sinkt, und die Arbeitsmarktentwicklung ermöglicht spürbare Lohnsteigerungen. Im laufenden Jahr wird der Staatshaushalt erneut ausgeglichen sein und strukturell sogar einen leichten Überschuss erzielen.

So steht es im Jahreswirtschaftsbericht 2015, den Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) an diesem Donnerstagmorgen im Bundestag vorgestellt hat. In seiner Regierungserklärung betonte er, dass Deutschland nun schon zum zweiten Mal in Folge ein Wachstum von 1,5 Prozent erreicht. „Das Wachstum kommt bei den Menschen an“, sagte Sigmar Gabriel. Der Beschäftigungsaufbau sei auf einem Rekordniveau. 42,8 Millionen Menschen seien in Arbeit – ein nie dagewesenes Ergebnis. Gabriel nannte die Gründe dafür: die Agenda 2010, eine starke Binnennachfrage, der niedrige Ölpreis, aber natürlich auch eine solide Finanz- und Haushaltspolitik dieser Koalition. Zweimal hintereinander wird der Staat keine neuen Schulden ma-chen, 2014 und 2015. Das setzt das Signal, dass diese Koalition keine Politik zulasten künftiger Generationen macht.

Das Erreichte sichern

Damit die Binnennachfrage hoch bleibt, bedarf es jedoch weiterer Instrumente, die die SPD-Bundestagfraktion vorangetrieben hat und die zum Teil umgesetzt sind, etwa der flächendeckende Mindestlohn oder die Mietpreisbremse.

Gabriel konstatierte zudem, dass die Entwicklung des Niedriglohnsektors zu weit gegangen sei und korrigiert werden müsse.

Beim Stichwort Korrekturen ging der Vizekanzler auch auf das Drängen der Union ein, beim Mindestlohn müssten die Dokumentationspflichten verringert werden. Gabriel: „Die Diskussion um den Kontrollaufwand ist erforderlich. Wir werden die Wirkung des Mindestlohns jetzt ein paar Monate beobachten und dann ganz entspannt miteinander reden und die Erfahrungen auswerten“. Der Mindestlohn grundsätzlich werde von niemandem infrage gestellt. Warum auch? „Das ist nicht nur Sozialpolitik, das ist auch Wirtschaftspolitik“, stellte Gabriel klar. Genau so etwas habe Ludwig Erhard mit seinem Motto ‚Wohlstand für alle‘ gemeint.

In seiner Rede streifte Gabriel auch die Themen Europa und Ukraine. Dabei lobte er das unermüdliche Bemühen des Außenministers Steinmeier (SPD) und der Kanzlerin für Verhandlungen.

Europa lebt von gegenseitiger Fairness

Europas Wachstum sei noch immer fragil. Und darum, so Gabriel weiter, sei er dem EU-Kommissionspräsidenten dankbar, dass der eine Investitionsoffensive für Europa gestartet habe, an der sich auch Deutschland über die Kreditanstalt für Wiederaufbau mit etwa 8 Milliarden Euro beteilige.

Er appellierte an die EU-Regierungen, der neuen griechischen Regierung Zeit zu geben, machte aber auch klar: „Wir erwarten, dass Griechenland seine Verpflichtungen einhält.“ Denn Europa „lebt von gegenseitiger Fairness“. Griechenland solle im Euro bleiben, bekräftigte Gabriel.

Deutschland fit für die Zukunft machen

Das Wachstum Deutschlands beginnt in den Kommunen. Nicht zuletzt deshalb würden diese in der laufenden Legislaturperiode auch um 10 Milliarden Euro entlastet. Und deshalb müsse man zudem private Investitionen stärken und auch nach weiteren Möglichkeiten suchen, wie private Investoren in die öffentliche Infrastruktur (Autobahnen etwa) investieren könnten, sagte Gabriel.

Investiert werden müsse auch in den Osten Deutschlands. Selbst dann, wenn der Solidarpakt II ausgelaufen sei. Es gelte, Regionen zu stärken.

Das alles sind großflächige Maßnahmen. Es gibt aber weitere Bereiche, in denen etwas getan werden muss. Gabriel nannte junge Unternehmen (Start ups), die in ihrer Wachstumsphase stärker gefördert werden müssten. Es geht ihm darum, die hohen Hürden, zum Beispiel beim Einkommensteuerrecht, zu beseitigen und Bürokratie abzubauen. Er kündigte einen Gesetzentwurf dazu fürs Frühjahr an.

In dem Zusammenhang erwähnte er auch die digitale Infrastruktur, bei der noch viel Nachholbedarf in Deutschland bestehe, etwa beim Ausbau des freien W-Lans. Das Land müsse sich stärker mit der so genannten Industrie 4.0 auseinandersetzen.

Und natürlich darf in seiner tour d'horizon die Energiepolitik nicht fehlen. Sie müsse auf eine „klimaschonende, bezahlbare“ Basis gestellt werden. Energie dürfe sich nicht immer weiter verteuern.

Weitere Punkte, Deutschland fit für die Zukunft zu machen, waren in Gabriels Rede die Bildungspolitik, bei der die Länder vom Bund 6 Milliarden Euro für Bildung bekommen, und ein Einwanderungsgesetz, das diesen Namen auch verdient.

Freihandelsabkommen TTIP als Chance

Und schließlich gehört dazu auch die Bereitschaft Deutschlands für ein Freihandelsabkommen mit den USA, TTIP genannt. Im so genannten ‚asiatischen Jahrhundert‘ sei es umso wichtiger, dass die EU die Chance ergreife, selbst Standards zu setzen, statt sie sich von anderen später diktieren zu lassen. „Wir brauchen ein Gegengewicht“, so Gabriel. Für ihn ist aber klar, dass die hiesigen Standards nicht abgesenkt werden dürfen. Aber nur, weil es auch schlechte Abkommen gebe, könne das nicht daran hindern, gute für die Zukunft abzuschließen.

Deutschland, postulierte Gabriel, muss sich öffnen, nach außen und nach innen.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil lobte die gute wirtschaftliche Entwicklung als „Verdienst der tüchtigen Arbeitnehmer und Unternehmer“. Er betonte, es müsse künftig auch um die Fachkräftesicherung gehen, da dies von großer Bedeutung für die Zukunft der deutschen Wirtschaft sei.

Alexander Linden