Deutschland und seine Partner

Deutschland hat nach dem Zweiten Weltkrieg den Weg zurück in die internationale Gemeinschaft gefunden, nicht zuletzt mit der Unterstützung seiner ehemaligen Gegner. Heute ist es in besonderer Weise Unterstützer einer Ordnung, die den Frieden sichern möchte. Wir haben Verantwortung für eine Politik, die die Strukturen einer friedlichen Ordnung stärkt, gerade jetzt und heute, in einer Welt, die aus den Fugen geraten zu sein scheint.

Deutschland ist so eng und so vielfältig mit der Welt verflochten wie kaum ein zweites Land – und zwar nicht nur wirtschaftlich, sondern auch technologisch, kulturell, gesellschaftlich. Im Umkehrschluss heißt das: Deutschland ist daher auf eine funktionierende internationale Ordnung angewiesen, wie sie von den Vereinten Nationen, der EU, NATO und OSZE getragen wird.

In diesem Jahr jährt sich Deutschlands Beitritt zur NATO zum 60. Mal. Die NATO hat sich als Pfeiler einer europäischen Stabilitätsordnung bewährt. Sie ist ein einzigartiges Forum des transatlantischen Zusammenhalts und für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik ebenso wichtig wie die Europäische Union. Angesichts der Vielzahl und der Heftigkeit der weltweiten Krisen und Konflikte ist dieser Zusammenhalt heute wichtiger denn je. Nur ein geeintes Europa bietet uns die Chance, die Globalisierung mitzugestalten und längst verloren gegangene Handlungsfähigkeit und Gestaltungsmacht zurückzugewinnen. Nur ein geeintes Europa kann unseren Wohlstand sichern und unsere gemeinsamen Werte schützen.

Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, kulturelle und religiöse Vielfalt, der Schutz von Minderheiten sowie Presse- und Meinungsfreiheit – diese Werte sind das Markenzeichen der EU. Es sind eben diese Werte, die uns im Innern stark machen und uns zusammenschweißen. Was wir in Europa in den vergangenen Jahrzehnten gemeinsam erreicht haben, ist weit mehr als nur ein Binnenmarkt und eine Währungsunion: Europa ist vor allem eine einzigartige Werteunion, eine Rechtsstaatsfamilie, eine Solidargemeinschaft!

Vorrausschauende Außenpolitik

Krisenprävention, Stabilisierung und Konfliktnachsorge – das sind die zentralen Leitlinien für die Außenpolitik der SPD-Fraktion.

Im Zentrum steht dabei die Idee, lieber vorsorgend, gezielt und flexibel in Stabilität und Frieden zu investieren, als zu spät in Konflikte eingreifen zu müssen. Dafür bedarf es jedoch des gesamten Instrumentenkastens der Außenpolitik – von diplomatischer Vermittlung über zivile Krisenprävention, unserem Engagement für Abrüstung und Rüstungskontrolle bis hin zu humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit.

Die SPD-Fraktion setzt sich dafür ein, fragile Staaten zu stärken, um potenzielle Krisenherde von morgen zu verhindern. Gleiches gilt für regionale und multilaterale Strukturen der Friedenssicherung. Deutschland verfügt über enorme Wissensressourcen in den Bereichen von Justiz, Verwaltung und Bildung. Dieses Wissen an die betroffenen Staaten weiter zu geben und technische Unterstützung und Umsetzungshilfe zu leisten, ist eine zentrale Aufgabe. Denn diese Investitionen sind in einer globalisierten Welt gleichzeitig auch Investitionen in eine sichere Zukunft. Ohne unsere Bündnispartner wäre dieser Art der Politik nur schwer möglich.

Die Ukraine-Krise

Die Lage in der Ostukraine ist nach wie vor sehr fragil. Für diesen Konflikt gibt es keine militärische Lösung. Deshalb ist die SPD-Bundestagsfraktion auch gegen Waffenlieferungen in die Ukraine. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) setzt sich seit Beginn der Krise mit großem Nachdruck für eine friedliche Lösung des Konflikts in der Ostukraine ein. Mit ihm ist auch die SPD-Bundestagsfraktion fest davon überzeugt, dass es nur eine politische Lösung geben kann, an der auch Russland aktiv mitwirken muss. Beide Konfliktparteien müssen deshalb die in Minsk getroffenen Vereinbarungen jetzt Punkt für Punkt umsetzen. Wir sind für ein partnerschaftliches Verhältnis mit Russland und sind offen für einen Dialog über eine europäische Friedensordnung. Die Achtung des Völkerrechts und die Wahrung territorialer Integrität sind für uns jedoch nicht verhandelbar.

Konflikte im Nahen Osten und Nordafrika

Die Proteste, Umbrüche und Revolutionen, die sich seit Ende 2010 wie ein Flächenbrand in der Region ausbreiteten, lösten tiefgreifende Veränderungen in vielen Staaten im Nahen Osten und Nordafrika aus. Mittlerweile ist die anfängliche Euphorie, verbunden mit der Hoffnung auf demokratische Veränderungen in der arabischen Welt, der Ernüchterung über die gegenwärtige Lage in der Region gewichen.

In Syrien tobt seit 2011 ein blutiger Bürgerkrieg, der bereits mehr als 220.000 Opfer gefordert hat. Zwölf Millionen Menschen sind allein in Syrien auf der Flucht vor Krieg und Zerstörung. Die Aufnahme-Staaten Türkei, Jordanien oder der Libanon stehen aufgrund der enormen Anzahl an Flüchtlingen vor gewaltigen Herausforderungen. Eine humanitäre Katastrophe muss verhindert werden. Deutschland hat deshalb auf der internationalen Geberkonferenz in Kuwait Ende März 2015 weitere 255 Millionen Euro an Hilfen zugesagt. Mit Zusagen von über einer Milliarde Euro seit 2012 steht Deutschland an der Spitze der internationalen Geber in der syrischen Flüchtlingskrise. Für die SPD-Bundestagsfraktion ist internationale Solidarität eine Verpflichtung. Dazu gehört auch, dass Deutschland Notleidende aus der Krisenregion aufnimmt. Mit der Aufnahme von über 120.000 syrischen Flüchtlingen leisten wir hier bereits einen wichtigen Beitrag.

Der ‚Islamische Staat‘ hat weite Teile Syriens und Iraks unter seine Kontrolle gebracht. Die Gräueltaten der Terrormiliz werden von den Vereinten Nationen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft. Für die SPD-Bundestagsfraktion steht die Hilfe für die betroffenen Menschen vor Ort an erster Stelle. Humanitäre Hilfe setzt allerdings ein Mindestmaß an Sicherheit voraus. So gibt es in den vom ‚Islamischen Staat‘ beherrschten Gebieten praktisch keine Möglichkeit, den Notleidenden direkt zu helfen. Um die Sicherheit der Menschen gewährleisten zu können, die vor dem ‚Islamischen Staat‘ geflüchtet sind, ist die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft unerlässlich. Im kurdischen Autonomiegebiet im Nordirak konnten die Peshmerga auch dank internationaler Hilfe bisher den Vormarsch des ‚Islamischen Staates‘ aufhalten. Die SPD-Bundestagsfraktion hat deshalb die Entscheidung der Bundesregierung unterstützt, den Kurden auf Bitten der irakischen Regierung neben militärischer Ausrüstung auch bei der Ausbildung ihrer Soldaten behilflich zu sein, um weitere Angriffe der Terrormiliz abwehren zu können.

Auch die zahlreichen historischen Kulturgüter bedürfen unseres Schutzes. Der IS bereichert sich am Verkauf von Kulturgütern und finanziert damit weiterhin sein Terrorregime. Daher ist die gezielte Zerstörung von Kulturgütern als Kriegsverbrechen zu ächten, die darauf abzielen, die geistige, soziale und wirtschaftliche Grundlagen und somit die Existenz von Menschen zu vernichten.

Die SPD-Bundestagsfraktion ist davon überzeugt, dass es für den Konflikt im Irak keine rein militärische Lösung geben kann. Wir erwarten daher, dass die Regierung in Bagdad unter Einbeziehung aller relevanten politischen, gesellschaftlichen und religiösen Kräfte gegen den Islamischen Staat vorgeht. Auch in Syrien kann der Bürgerkrieg nur beendet werden, wenn es zu einer regionalpolitischen Einigung kommt, da viele externe Akteure ihre eigenen Interessen im Land verfolgen und dadurch die innersyrischen Konflikte weiter verstärken.

Eine Fortsetzung des Kriegs in Syrien und Irak und ein Fortbestehen des ‚Islamischen Staates‘ birgt auch direkte Gefahr für die Länder Europas. Hunderte deutsche Staatsbürger sind bisher in den internationalen Dschihad nach Syrien oder Irak gezogen. Die Rückkehrer sind häufig desillusioniert, aber auch radikalisiert von der Brutalität des Krieges, und stellen so eine potenzielle Gefährdung für unsere Sicherheit dar. Deutsches Engagement für mehr Stabilität in Nahost ist deshalb auch für unsere eigene Sicherheit unerlässlich.

Entwicklungen in Afrika

Die politische Bedeutung Afrikas in der internationalen Gemeinschaft sowie für Deutschland und Europa hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Aufgrund der kontinuierlich hohen Wachstumsraten der letzten Jahre wird Afrika häufig als Kontinent im Aufbruch oder „Chancenkontinent“ wahrgenommen. Dies wird nicht zuletzt durch das große wirtschaftliche Engagement Chinas und weiterer neuer Akteure wie Türkei und Indien auf dem Kontinent akzentuiert. Andererseits bleibt der Kontinent in der deutschen öffentlichen und politischen Wahrnehmung eng mit humanitären Katastrophen und Kriegen verbunden. Jenseits dieser unterschiedlichen Wahrnehmungen stellen wir fest, dass sich in Afrika in unterschiedlicher Weise sehr dynamische gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Transformationsprozesse vollziehen. Darüber hinaus treten die Staaten Afrikas und die Afrikanische Union in globalen politischen und wirtschaftlichen Prozessen mit ihrem eigenen politischen Gestaltungsanspruch auf. Die verstärkte Zusammenarbeit mit der AU und den Staaten Afrikas ist Ziel sozialdemokratischer Außenpolitik. Angesichts der Anzahl und Vielfalt der afrikanischen Staaten muss Außenpolitik Schwerpunkte setzen. Diese sollten sich nicht allein an aktuellen Krisen wie in Mali, Zentralafrika, Burundi, Eritrea oder Südsudan orientieren und ebenso wenig in einem allein entwicklungspolitischen Handlungsrahmen der Armutsbekämpfung verharren. Neben wirtschaftlich und politisch herausragenden Staaten wie Nigeria und Südafrika, und dem Engagement in aktuellen Krisenregionen wird der Region des östlichen Afrika eine besondere Gewichtung zukommen. Sozialdemokratische Afrikapolitik verfolgt nicht nur Interessen, sondern ist wertebasiert und hat das Ziel, eine friedliche, demokratische Entwicklung und die Wahrung der Menschenrechte zu unterstützen. Dazu braucht es verantwortungsvolle Regierungen, eine starke AU mit wirkungsvollen Regionalorganisationen und deren entschlossenes Auftreten gegen Gewalt und autoritäre Tendenzen.

Libyen – fragile Staatlichkeit am Mittelmeer

In Libyen stehen die politischen und staatlichen Strukturen vor dem Zusammenbruch. Die bewaffneten Auseinandersetzungen haben deutlich zugenommen. Diese Krise in unmittelbarer Nachbarschaft zu Europa hat zudem das Potenzial, die ganze nordafrikanische Region nachhaltig zu destabilisieren. Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt deshalb die Bemühungen der Vereinten Nationen und des EU-Sonderbeauftragten Leon, Waffenstillstandsverhandlungen zwischen den Konfliktparteien voranzubringen.

Um gegen kriminelle Schleuserbanden vorzugehen, hat die EU um Juni 2015 das Konzept EUNAVFOR Med beschlossen, dass aus mehreren Stufen besteht. Die erste Stufe beinhaltet die verbesserte Aufklärung wo im südlichen Mittelmeerraum die Schleppernetzwerke operieren, mithilfe von Schiffen, Flugzeugen und Drohnen. Diese Stufe ist bereits in Kraft getreten.

Unterstützung der gewählten Regierung in Afghanistan

Nachdem der NATO-geführte Einsatz der International Security Assistance Force (ISAF) am 31.12.2014 endete, übernahm die afghanische Regierung wieder die Sicherheitsverantwortung für das gesamte Land. Das Erlangen von Stabilität in einem von Krieg gezeichneten Land wie Afghanistan ist ein langwieriger Prozess. Deshalb bedarf es einer weiteren Unterstützung der demokratisch gewählten Regierung in Kabul – auch von deutscher Seite. Mit der „Resolute Support Mission (RSM)“ liegt der Schwerpunkt seit Anfang 2015 auf Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte. Der VN-Sicherheitsrat hat mit der Resolution 2189 vom 12. Dezember 2014 diese neue Mission einhellig begrüßt. Der Deutsche Bundestag stimmte einer deutschen Beteiligung an diesem Einsatz am 18. Dezember 2014 zu. Das Mandat ist zunächst auf ein Jahr beschränkt. Die Obergrenze liegt bei 850 Soldatinnen und Soldaten.

Deutschlands Beitrag beschränkt sich dabei nicht nur auf eine Beteiligung an der RSM, sondern unterstützt Afghanistan auch weiterhin mit den Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit. Unsere Auffassung ist nach wie vor: Der Afghanistankonflikt kann nur politisch gelöst werden. Ein Antrag der Koalitionsfraktionen rückt deshalb das zivile Engagement der internationalen Gemeinschaft zur Stabilisierung Afghanistans in den Vordergrund. Bedarf besteht vor allem in den Bereichen Gesundheitswesen, Rechtssicherheit, Wahlunterstützung, humanitäre Hilfe, Kultur und Medien. Weitere Fördermaßnahmen zielen auf gute Regierungsführung und den Aufbau von leistungsfähigen staatlichen Institutionen oder konzentrieren sich auf Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung, Schul- und Berufsbildung und die Versorgung der afghanischen Bevölkerung mit Energie und Wasser.

Abrüstung, Nichtverbreitung und Rüstungsexportkontrolle

Die SPD-Fraktion hat bereits in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, dass die Rüstungsexportpolitik wieder restriktiver gehandhabt und mehr Transparenz hergestellt wird. Zu den neu eingeführten Transparenzmaßnahmen gehören die unmittelbaren Unterrichtungen des Bundestages über abschließende Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates innerhalb von zwei Wochen sowie der Zwischenbericht über Rüstungsexportentscheidungen im ersten Halbjahr eines laufenden Jahres

Der Rüstungsexportbericht für das Jahr 2014 verdeutlicht, dass der Gesamtwert der Genehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern gegenüber dem Vorjahr erheblich zurückgegangen ist. So sind die Waffenexporte Deutschlands auf den niedrigsten Stand seit sieben Jahren gefallen. Im vergangenen Jahr erteilte die Bundesregierung nur noch für Rüstungsgüter im Wert von 3,97 Mrd. Euro eine Exportfreigabe gegenüber 5,85 Mrd. Euro im Jahr 2013. 100 Exportanträge wurden 2014 abgelehnt. Ebenfalls deutlich zurückgegangen sind die Ausfuhrgenehmigungen in Entwicklungsländer - von 562,5 Mio. Euro im Jahr 2013 auf 217,8 Mio. Euro in 2014. Auch bei den Ausfuhrgenehmigungen für Kleinwaffen ist ein Rückgang zu verzeichnen. Im Vergleich zum Vorjahr ging in diesem Bereich das Volumen mit 47,43 Mio. Euro um fast die Hälfte zurück. 

Künftig sollen sogenannte „post-shipment“-Kontrollen eingeführt werden, bei denen deutsche Inspekteure überprüfen, ob in Drittstaaten exportierte Waffen auch wirklich in den ihnen angestammten Depots oder Kasernen sind. Darüber hinaus wurden bereits am 18. 03. 2015 die „Kleinwaffen-Grundsätze“ verabschiedet, welche die Kennzeichnung von Kleinwaffen verbessern und sicherstellen, dass es in Zukunft keine Genehmigungen für den Export von Fabriken zur Produktion von Maschinengewehren in Drittstaaten geben soll.

Die SPD-Bundestagsfraktion fordert neue abrüstungspolitische Initiativen der Nuklearmächte und bekräftigt die Vision einer atomwaffenfreien Welt. Wir wollen, dass die Nuklearstaaten endlich konkrete Verhandlungen über den Abrüstungs- und Rüstungskontrollprozess bei den sogenannten taktischen Atomwaffen aufnehmen, um damit den Weg für den Abzug der noch in Deutschland und anderen europäischen Ländern stationierten Atomwaffen zu ebnen. Auch im konventionellen Bereich sind neue Verhandlungen erforderlich. Wir Sozialdemokraten unterstützen die Bundesregierung bei ihrem Vorhaben, den für eine Modernisierung des Rüstungskontrollregimes in Europa notwendigen Dialog mit Russland aufzunehmen.