In Anlehnung an den früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker würdigte Bundestagspräsident Norbert Lammert im Plenum des Deutschen Bundestages den 8. Mai 1945 als einen der wichtigsten Gedenktage der deutschen Geschichte. Vor 30 Jahren, am 8. Mai 1985, hatte von Weizsäcker das Kriegsende als „Tag der Befreiung“ von der Herrschaft des Nationalsozialismus bezeichnet.

Gleichzeitig konnte der Fall, den die Deutschen erlebten, nicht tiefer sein, ökonomisch und moralisch. Deutschland hatte aber auch „großes Glück“: Die Bereitschaft „der Nachbarn“ zu vergeben und zu helfen sei genauso beispiellos gewesen wie die Katastrophe, die dieser Bereitschaft vorausging. Daher dankte Lammert Bundespräsident Gauck, Bundeskanzlerin Merkel und Bundesaußenminister Steinmeier für ihre zahlreichen „demonstrativen Besuche und Reden in den vergangenen Tagen auf Soldatenfriedhöfen und in Konzentrationslagern“.

Der 8. Mai sei für den ganzen Kontinent ein Tag der Befreiung gewesen, jedoch nicht der Tag der Selbstbefreiung Deutschlands. Nur langsam begann eine schmerzhafte Aufarbeitung der Geschichte. Daher war der 8. Mai „Ende und Anfang zugleich“, so Lammert weiter.

Deutschlands Irrwege

In seiner Gedenkrede stellte der Historiker Heinrich August Winkler im Bundestag klar: „In der deutschen Geschichte gibt es keine tiefere Zäsur als den 8. Mai“. Zwölf Jahre lang haben die Nationalsozialisten frenetisch die deutsche Einheit beschworen. Als ihre Herrschaft „in einem Inferno unterging“ und das NS-Regime bedingungslos kapitulierte, war zunächst nicht klar, was aus dem Land werden würde.

Auch Winkler zitierte von Weizsäcker: Der 8. Mai 1945 mahne uns, einen „Irrweg der deutschen Geschichte“ zu erkennen. Und dieser Irrweg, von dem von Weizsäcker sprach, habe nicht erst 1933 begonnen. Laut Winkler begann er schon weit früher: in der Weimarer Republik, und er sei in der Retroperspektive bereits 1914 erkennbar.

Der emeritierte Professor der Humboldt-Universität Berlin mahnte daher: Der Mythos nationaler Überheblichkeit sei nicht tot. Daher müsse „die Unantastbarkeit der Würde jedes Menschen“ auch heute noch zu jeder Zeit verteidigt werden. Dies sei die Lehre unserer Geschichte, insbesondere aus Hitlers Herrschaft 1933 bis 1945. SS und Wehrmacht haben vielerorts Verbrechen begangen, die aus dem kollektiven Bewusstsein vieler Völker nicht mehr zu löschen seien, so Winkler.

Es gebe viel, worauf Deutsche stolz sein könnten, und „niemand erwarte von den Nachgeborenen“, sich für die Taten früherer Generationen persönlich schuldig zu fühlen. Aber es gebe eine moralische Verpflichtung, für die jede Generation ihren Umgang finden müsse, betonte der Historiker. „Unter die eigene Geschichte lässt sich kein Schlussstrich ziehen“. Zur Verantwortung für das eigene Land gehöre es, sich der ganzen Geschichte zu stellen.

Auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hielt in seiner Funktion als Präsident des Bundesrates eine Ansprache vor dem prominent besetzten Bundestagsplenum.

Auch er hob die Bedeutung hervor, sich der eigenen Geschichte zu stellen und sich mit ihr auseinanderzusetzen. 1933 bis 1945 markiere einen „Tiefpunkt“, der dazu verpflichte, „den Anfängen zu wehren“, sich also entschieden gegen jede Form von Extremismus zu stellen und sich kontinuierlich für Frieden, Völkerverständigung und Toleranz, Respekt und Zivilcourage einzusetzen.

Jasmin Hihat