Im Mittelpunkt der diesjährigen Werkstatträte-Konferenz standen das Bundesteilhabegesetz und die Änderungen der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung.

Den Menschen mit seinen Potenzialen und Fähigkeiten sehen

Bundesarbeits- und -sozialministerin Andrea Nahles (SPD) machte in ihrem Grußwort deutlich, dass unsere Gesellschaft noch lange keine inklusive Gesellschaft sei. Gerade bei dem Ziel, dass Menschen mit Einschränkungen auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Betrieben arbeiten können, wenn sie es wollen, würden sie noch zu wenig unterstützt. Hier müssten auch die Berater in der Bundesagentur für Arbeit viel mehr dazu ermutigen. „Es geht nicht darum, sich auf die Defizite zu fixieren, sondern den ganzen Menschen mit seinen Potenzialen und Fähigkeiten zu sehen“, betonte Nahles.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sei intensiv mit dem Thema der Inklusion befasst. So werde der Nationale Aktionsplan für Inklusion, der seit 2011 umgesetzt wird, weiterentwickelt. Der Vertragsausschuss der Vereinten Nationen habe den Nationalen Aktionsplan geprüft und rund 60 konkrete Handlungserfordernisse für Deutschland ausgemacht. „Diese nehmen wir als wichtige Impulse an“, sagte Nahles. Zudem arbeite das Ministerium an einer neuen Werkstätten-Mitwirkungsverordnung, die erstmals auch Mitbestimmungsmöglichkeiten der Werkstatträte festlege. Die größte Aufgabe im Bereich von Inklusion und Teilhabe sei das Bundesteilhabegesetz. Über ein Jahr habe das Ministerium nach dem Grundsatz „nichts über uns ohne uns“ dazu Gespräche mit Betroffenen und ihren Organisationen geführt. Das Gesetz soll 2016 beschlossen werden und zum 1. Januar 2017 in Kraft treten. Ziel sei es, vom Grundsatz der Fürsorge zum Grundsatz der Teilhabe zu kommen.

Budget für Arbeit ist wichtiges Element beim Bundesteilhabegesetz

Wichtig sei zu klären, was heute Arbeit für Menschen mit Behinderungen bedeute und wie Arbeit für Menschen mit Behinderungen in einer Werkstatt oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einer Firma aussehen soll, erläuterte die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Verena Bentele, in ihrem Vortrag. Es gehe darum, dabei zu beraten „wo und was jemand arbeiten möchte und welche Hilfe dafür gebraucht wird“. Bentele verwies auch auf den Antrag der Koalitionsfraktionen, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, Integrationsbetriebe in den kommenden drei Jahren mit 150 Millionen Euro zusätzlich aus Mitteln der Ausgleichsabgabe zu stärken und mehr Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Insgesamt müssten Unternehmen mehr darüber erfahren, wie viel Potenzial Menschen mit Behinderungen haben. Wichtig sei aber auch das Recht vom allgemeinen Arbeitsmarkt wieder in eine Werkstatt zurückkehren zu können, wenn es in einem Betrieb nicht so gut funktioniert habe, unterstrich Bentele.

Das neue Bundesteilhabegesetz mit dem bundesweiten Budget für Arbeit werde vieles leisten, um Arbeit für Menschen mit Behinderungen flexibler zu machen. Damit könnten Menschen mit Behinderungen, die in einer Firma arbeiten, Unterstützung bei der Arbeit durch eine Assistenzperson oder durch technische Hilfsmittel finanzieren. „Das Budget für Arbeit sollen alle Menschen, die es in Anspruch nehmen wollen, auch in Anspruch nehmen können. Und zwar unabhängig davon, ob jemand von einer Werkstatt in den inklusiven Arbeitsmarkt wechseln möchte oder aus einer Inklusions- oder einer Förderschule kommt. Oder weil jemand während seines Berufslebens eine Behinderung oder eine psychische Erkrankung bekommt und deswegen Unterstützung benötigt und das Budget für Arbeit braucht“, sagte Bentele.

Anrechnungsgrenzen für Einkommen und Vermögen erhöhen

Als weiteren wichtigen Punkt des Bundesteilhabegesetzes nannte Bentele, dass die Anrechnungsgrenzen für Einkommen und Vermögen deutlich erhöht werden sollen. Die Anrechnungsgrenze für Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen der Eingliederungshilfe liegt bei Vermögen augenblicklich bei 2.600 Euro. Menschen mit Behinderungen sollen künftig mehr Geld „in der eigenen Tasche“ behalten können. Damit würde eine der wichtigsten Forderungen der letzten Jahre erfüllt werden.

Zudem sollte es mit dem Bundesteilhabegesetz ein trägerübergreifendes Budget geben, dass eine bessere Unterstützung bei Zielen und Wünschen von Menschen mit Behinderungen gewährleiste. So sollten Menschen mit Behinderungen selbst entscheiden können, wie sie wohnen möchten, „ob in einer Partnerschaft, in einer WG, allein oder mit anderen Menschen zusammen“, berichtete Bentele. Ihrer Meinung nach müsse dieser Punkt unbedingt im Bundesteilhabegesetz enthalten sein.

Die neue Werkstätten-Mitwirkungsverordnung bringt Mitbestimmungsrechte

Worauf es in der neuen Werkstätten-Mitwirkungsverordnung ankommen wird, stellte die Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen der SPD-Fraktion, Kerstin Tack dar. Künftig sollen Werkstatträte neben den Mitwirkungsrechten auch Mitbestimmungsrechte haben, machte sie deutlich. Die Mitwirkungsrechte betreffen die Verwendung von Arbeitsergebnissen, die Verhütung von Arbeitsunfällen, die Förderung des Wechsels in den allgemeinen Arbeitsmarkt, die Gestaltung der Arbeitsplätze, Fragen der Verpflegung, die Umsetzung von Beschäftigten und Neu-, Um- und Erweiterungsbauten. Die Mitbestimmungsrechte beziehen sich auf das Verhalten der Beschäftigten, Beginn und Ende der Arbeitszeit, die Entlohnung der Beschäftigten, die Urlaubsplanung, die Einführung technischer Einrichtungen zur Überwachung von Beschäftigten, Grundsätze der Fort- und Weiterbildung sowie soziale Aktivitäten.

Vermittlungsstelle muss bei Konflikten entscheiden

Künftig sollen Werkstattrat oder die Werkstattleitung bei Meinungsverschiedenheiten im Bereich der Mitbestimmung eine Vermittlungsstelle anrufen können, stellte Tack dar. Bevor die Vermittlungsstelle entschieden habe, gebe es keine Entscheidung. Das bedeute, dass in Fragen der Mitbestimmung erst dann eine Maßnahme umgesetzt werden könne, wenn der Werkstattrat oder die Vermittlungsstelle zustimmt. „Außerdem soll die Anzahl der Werkstatträte von sieben auf 13 erhöht werden, je nach Anzahl der Beschäftigten“, erläuterte Tack. Danach kämen auf bis zu 700 Beschäftigte sieben Werkstatträte und von 700 bis zu 1000 Beschäftigten sollen es neun Werkstatträte sein. Wenn in einer Werkstatt über 1500 Beschäftigte arbeiten, soll es 13 Werkstatträte geben. Bei mehr als 700 Beschäftigten sollen künftig zwei Mitglieder des Werkstattrates von der Arbeit freigestellt werden. Besonders hervorzuheben sei die Einführung einer Frauenbeauftragten, sagte Tack. „Nachdem das Modellprojekt in 100 Werkstätten erfolgreich war, sollen jetzt alle Werkstätten eine Person zur Frauenbeauftragten wählen“. Zudem erhielten die Werkstatträte mehr Freistellungen für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen.

Viel zu diskutieren

An der Podiumsdiskussion nahmen neben Verena Bentele und Kerstin Tack folgende Personen teil: Johannes Herbetz, Vorsitzender Bundesvereinigung der Landesarbeitsgemeinschaften der Werkstatträte, Ralf Hagemeier, stellv. Vorsitzender Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen, Klaus Brandner, Parlamentarischer Staatssekretär Bundesministerium für Arbeit und Soziales a.D. und Hans-Peter Schell, Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Mehr Durchlässigkeit zwischen Werkstatt und allgemeinem Arbeitsmarkt

Im Mittelpunkt der Diskussion stand die bessere Durchlässigkeit von der Arbeit in einer Werkstatt hin zu einer Arbeit in einem Integrationsbetrieb oder in einer Firma auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Hierbei seien auch die so genannten Außen-Arbeitsplätze der Werkstätten ein wichtiges Instrument, um Erfahrungen in der Zusammenarbeit von Menschen mit Behinderungen und Nichtbehinderten zu sammeln. Kritisiert wurde daran, dass es für Arbeitgeber noch zu wenig Anreize zur Übernahme der Beschäftigten von einem Außen-Arbeitsplatz in einen regulären Arbeitsplatz gebe. Hier gelte es bei den Firmen mehr Aufklärung zu betreiben. Die Integrationsfachdienste müssten sowohl die Betriebe als auch die Menschen mit Behinderungen besser unterstützen. Hier wurde noch einmal deutlich, wie wichtig das Budget für Arbeit seien wird und auch der Ausbau der Integrationsbetriebe. Ebenfalls wurde klar, dass die Werkstätten auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden. Ziel ist es, dass Menschen mit Behinderungen wählen können, wo sie arbeiten möchten.

Entlohnung in Werkstätten bleibt ein wichtiges Thema

Ein weiteres zentrales Thema auch aus den Reihen des Publikums war die Entlohnung in den Werkstätten. Die Entlohnung erfolgt augenblicklich so, dass jede oder jeder Beschäftigte einen Grundbetrag in Höhe von 75 Euro für die Arbeit in der Werkstatt erhält. Darüber hinausgehend bezahlen die Werkstätten so genannte Steigerungsbeträge, die sich an der Arbeitsleistung orientieren sollen. Hier wird häufig über die mangelnde Transparenz geklagt. Darüber hinaus haben Menschen mit Behinderungen Anspruch auf staatliche Leistungen wie das Arbeitsförderungsgeld in Höhe von 26 Euro und die Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch XII (Sozialhilfe). Zudem haben Menschen mit Behinderungen eine Sonderstellung bei der Rente, die sie vor Armut schützen soll. Es wurde deutlich, dass die Anrechnungsgrenzen für Einkommen und Vermögen angehoben werden müssen und auch über die Entlohnung in Werkstätten diskutiert werden muss. Allerdings wurde auch klargestellt, dass Anhebungen bestimmter Lohn-Leistungen nicht dazu führen dürfen, dass soziale Leistungen wie die Sonderstellung bei der Rente gekürzt werden. Deshalb müsse hier eine ausgewogene Lösung gefunden werden.

Darüber hinaus äußerten die Werkstatträte verstärkt den Wunsch, dass sie eine Vertrauensperson, die sie bei individuellen Problemen und Konflikten ansprechen können, benötigen. Wichtig ist ihnen hierbei, dass es auch eine externe Person sein kann, die nicht in Verbindung mit der Werkstatt steht.

Nicht zuletzt spielte auch das Thema der gewerkschaftlichen Interessenvertretung der Werkstatt-Beschäftigten beim Publikum eine Rolle. Johannes Herbetz konnte aber versichern, dass man sich hierzu in guten Gesprächen mit ver.di befinde.

Werkstatträtekonferenz fördert den Dialog

Es hat sich auch bei der 10. Werkstattkonferenz wieder gezeigt, dass sie ein wichtiger Anlass für den Dialog zwischen den Werkstatträten und den Politikerinnen und Politikern ist. Viele SPD-Bundestagsabgeordnete haben die Pausen der Konferenz genutzt, um mit den Werkstatträten aus ihren Wahlkreisen ins Gespräch zu kommen.

Die Werkstatträte vertreten in den rund 700 Werkstätten mit ca. 2600 Betriebsstätten die Interessen der über 300.000 Beschäftigten. Sie richten den Blick auf die Werkstattangelegenheiten und wirken daran aktiv mit. 

Die Werkstatträtekonferenz als Video-Mitschnitt

1. Teil der Veranstaltung

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Videomitschnitt der 10. Werkstatträtekonferenz, Teil 1

2. Teil der Veranstaltung

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Videomitschnitt der 10. Werkstatträtekonferenz, Teil 2

 

Fotos der 10. Werkstatträtekonferenz der SPD-Bundestagsfraktion

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10. Werkstatträtekonferenz am 2.11.2015